Das wichtigste Gebet ist das Gebet um die Beharrlichkeit bis zum Ende. Siehe hier

Sonntag, 25. August 2013

Freuden und Leiden eines Seminaristen im päpstlichen Seminar von Kandy (Teil 2)

Fortsetzung von hier

Nach Verlauf von sechs Monaten oder einem Jahre darf sich der junge Seminarist bereits sehen lassen. Der Wildling zählt seinen sechzehnten Frühling. Er spricht schon geläufig Englisch und bleibt nur hin und wieder noch hängen; das Latein geht noch ein bisschen schwerfällig, aber der Professor braucht sich nicht mehr zu scheuen, in der Klasse lateinisch zu sprechen. Wenn er nicht gar zu klassisch spricht, wird er verstanden. 

Die Zweitjährigen dürfen in der Erholung sich noch auf Englisch unterhalten; dann tritt als offizielle Umgangssprache das Latein an die Stelle. Was seine Manieren angeht, so kennt man den kleinen Seminaristen gar nicht wieder. Die jungen Leute, früher meist recht vernachlässigt, kommen hierher mit dem festen Entschluss, nützliche Priester und gute Missionäre zu werden. Sie haben sich gesagt: ‚Es ist der Wille Gottes; ich will es, es muss gehen.‘ Von Zeit zu Zeit gibt man einen leisen Wink, wie z.B.: ‚Ei, was tust tu da? Du bist kein Schuljunge mehr; sieh deinen Rock an; du bist ein Clergyman, ein Kleriker; sei verständig.‘ Das genügt. 

Ich wollte, Sie könnten sie bei ihrem gemeinsamen Gebet sehen, während ihrer halbstündigen Privatbetrachtung oder während der stillen Studienstunde ohne eine andere Aufsicht als das Auge Gottes. Vor etwa zwei Wochen fragte ich einen unserer jüngeren Alumnen, wie es ihm beim Studium gehe. ‚Ich würde es gerne besser machen,‘ lautete die Antwort, ‚denn ich denke immer, Gott sieht mich, und er liebt mich, und ich möchte gern ihm Freude machen und mich später seinem Dienst weihen.‘

Und nun sehen Sie sich unsere Philosophen an, die seit drei Jahren im Seminar sind. Sie kommunizieren häufig, und ihr Betragen könnte manchen in Europa zum Muster dienen. Man sollte es gar nicht glauben, dass diese jungen Männer von zwanzig Jahren früher die einheimische Tuchhülle, Haarschopf und Ohrenringe getragen. Sie sind am Spielen mit einem seltenen Feuer, mit leuchtenden Augen, Füße, Hände, der ganze Körper, die Zunge nicht ausgenommen, in lebhafter Bewegung. Da plötzlich tönt die Schelle, und alles ist mäuschenstill, wie ausgestorben. Folgen wir ihnen. Jeder ist vor seinem Arbeitstischchen auf den Knien und betet einige Augenblicke, bevor er das Studium beginnt.

Von Zeit zu Zeit ist noch eine kleine Warnung nötig, ein Fehltritt zu tadeln, ein Rückfall zu alter Natur festzustellen. Der Inder scheint von unseren Anschauungen und Begriffen aus ein geborener Lügner. Ohne besondere Absicht, ohne Bosheit, ohne Skrupel sagt er das Gegenteil von dem, was wahr ist, oder verschweigt etwas, einzig und allein, weil der Satz so besser klingt, oder des Euphemismus wegen, oder weil er meint, Ihnen so etwas Angenehmes zu sagen…

Und nun unsere ältesten von 21, 22, 24 Jahren, die Theologen. Ich bin überzeugt, sie haben mit keinem europäischen Seminar den Vergleich zu fürchten, sowohl was den ernsten Eifer beim Studium, bei den Zirkeln und monatlichen Disputationen, als was den Anstand bei Tisch, in der Erholung und bei der Unterhaltung und selbst was die Zartheit des Gewissens angeht. Es ist rührend, mit welcher Gewissenhaftigkeit sie sich selbst über geringe Fehler öffentlich im Speisesaal anklagen. 

Vor zwei Monaten kam einer, ein trefflicher Fußballspieler, und bekannte, dass er nicht unempfindlich dagegen sei, wenn man nach einem guten Schlag ihm lauten Beifall zolle. Ob es da nicht gut wäre, wenn er hie und da einmal absichtlich einen Luftschlag tue? …Freilich würde dann seine Partei verlieren, was dieser unangenehm sein könnte. Was er da am besten tun solle. Diese Einzelheiten mögen manchem kleinlich erscheinen; ich dachte aber, sie dienten dazu, einen anschauliche Idee von unseren jungen Priesterkandidaten zu geben.“


(Aus: die katholischen Missionen, 1899)