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Mittwoch, 28. August 2013

Vom Saulus zum Paulus – die Geschichte eines chinesischen Laienapostels


Paul Tzi

Er heißt Paul Tzi und stammt aus einem kleinen Dorf in Ost-Schantung. Frühzeitig verwaist und sich selbst überlassen, stand er hilflos da. Ein Erbe fiel ihm nicht zu, und keiner der Verwandten und Nachbarn kümmerte sich um den armen Jungen. 
Erst arbeitete er bei Bauern, und als er sich einige Groschen erspart hatte und die arbeitslose Winterzeit herankam, begann er einen kleinen Handel. Mit zwei an einer Bambusstange herabhängenden Körben zog er von Dorf zu Dorf, seine Waren: Früchte, Streichhölzer, Zwirnfaden, Pfeifenköpfe u. dgl. feilbietend, um sich seinen kargen Unterhalt zu verdienen. Mehr wollte er nicht, als sein Leben ehrlich fristen. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen war er stets gewissenhaft in seinem Handel und Wandel und beachtete das in seinem Herzen eingegrabene Sittengesetz genau.

Vor etwa 25 Jahren kamen presbyterianische Sendlinge in jene Gegend. Auf dem Marktplatz der Stadt Tschangi pflegten sie Aufstellung zu nehmen, und nachdem sie mit einer Ziehharmonika viele Neugierige angelockt hatten, predigten sie ihre Lehre und teilten massenhaft Bibeln unter die Menge aus.

Bei einer solchen Gelegenheit hörte unser Tzi zum ersten Mal vom Gott der Christen reden. Die neue Lehre gefiel ihm, und von dem aufrichtigen Wunsche beseelt, seinem Schöpfer zu dienen, ließ er sich in die Gemeinde aufnehmen. Er studierte eifrig die Bibel und wurde einer der treuesten Beobachter der fremden Religion.
Als im Jahr 1900 die Boxerverfolgung über das nördliche China hinfegte, wurde auch die Presbyterianergemeinde von Tschangi heimgesucht. Die meisten fielen ab oder verbargen sich. Tzi jedoch blieb standhaft in seinem Glauben und suchte auch seine Religionsgenossen zur Ausdauer anzufeuern.

Als der Sturm vorüber war, zog er hinaus, sammelte die zerstreuten und verscheuchten Schäflein und brachte durch Wort und Beispiel die Christengemeinde von Tschangi und Umgebung zu großer Blüte.
Der amerikanische Missionsobere war auf den seeleneifrigen Jünger aufmerksam geworden und beschloss, ihn zur Ausbreitung seiner Lehre zu benutzen.

Mittlerweile war er 70 Jahre alt geworden, und um ihn für seine apostolischen Arbeiten zu belohnen und seine Kräfte noch länger und nützlicher für seine Kirche verwerten zu können, ernannte ihn der in der Stadt Weihsien residierende Superintendent zu seinem Stellvertreter für Stadt und Kreis Tschangi.
Er hatte als Vikar den Gottesdienst zu leiten und die dortigen Gemeinden zu regieren.
Jeden Sonntag predigte er vor seinem Volke, und treu der Weisung seines Vorbildes und Patrons St. Paulus rügte er freimütig die Vergehen, ohne Rücksicht auf Stand oder Person, und forderte von allen treue Befolgung des göttlichen Gesetzes.

Nun waren unter seiner Herde manche Vornehme, die das Christentum nur aus weltlichen Beweggründen angenommen hatten und mit den bequemen heidnischen Sitten nicht brechen wollten. Sie waren aber einflussreich, und die Mahnungen des ungestümen Propheten waren ihnen zu lästig. 
Um sich seiner zu entledigen, nahmen sie zu niedrigen Ränken und Verleumdungen ihre Zuflucht.

Angeekelt durch diese Treibereien und die in der Sekte um sich greifende Unordnung, welcher die höheren Vorsteher aus Menschenfurcht nicht zu steuern wagten, schüttelte Tzi den Staub von den Füßen und zog sich zurück. Seine Seele war tief verwundet und seufzte zu Gott um Licht und Kraft.

Eines Tages trat er in einen Laden, um Einkäufe zu machen. Der Krämer, ein Katholik, fragte ihn teilnahmsvoll nach der Ursache seiner Niedergeschlagenheit. Und als unser Tzi ihm seinen Seelenschmerz mitteilte, sagte er ihm, das sei gar nicht zu verwundern; er sei eben in die falsche Kirche eingetreten. Nur die von Christus gegründete und regierte katholische Kirche sei die Grundfeste der Ordnung und spende ihren Kindern den wahren Frieden des Herzens.
Diese Worte machten einen tiefen Eindruck auf Tzi; denn zum ersten Mal hörte er von der katholischen Religion reden.
Nach einer Weile tiefen Nachsinnens fragte er: „Und wenn ich katholisch werden wollte, würden eure Priester mich zulassen?“
„Ganz gewiss“, war die Antwort, „sofern du die Gebote Gottes und seiner Kirche befolgen willst!“
„Meinem Gott aus allen Kräften zu dienen, war und ist mein einziges Bestreben!“ rief er aus. „Möge er mir nur gnädig seinen heiligen Willen kundtun!“

Auf seinen Wunsch wurde er hierauf zum katholischen Missionär des Bezirks geführt, dem schon bei der ersten Unterhaltung klar wurde, dass er es mit einer außergewöhnlich begnadeten Seele zu tun habe.

Der Unterricht eines Konvertiten von so guter Gesinnung war eine leichte Sache. Er zeigte gründliche Kenntnis der Bibel, insbesondere des Neuen Testaments und des ihm so lieben hl. Paulus.
Als alle seine Zweifel behoben und seine Einwendungen widerlegt waren, siedelte er auf einige Wochen zu dem Missionär nach Hwangbu, einer alten Christengemeinde, über, um dort katholisches und kirchliches Leben aus eigener Anschauung kennenzulernen. Oft hob er den Gegensatz hervor zwischen den Protestanten, die sich mit einem leeren Glauben begnügten, und der katholischen Kirche, die das ganze Leben ihrer Kinder durch heilsame Vorschriften regelt.

Er wohnte allen Andachten und kirchlichen Feierlichkeiten mit größter Andacht bei. Eines Tages sah er, wie der Priester einem Kind die heilige Taufe spendete, was einen tiefen Eindruck auf ihn machte. Von da an war er überzeugt, dass seine von den Presbyterianern gespendete Taufe nicht echt gewesen, und bat, man möge ihn nach katholischem Ritus taufen.
Endlich kam der langersehnte Tag, an dem er ein Kind der heiligen Kirche werden sollte. Alle die schönen Gebete und tiefsinnigen Gebräuche waren ihm vorher erläutert worden, und er folgte der heiligen Handlung mit sichtlicher Ergriffenheit.

Nun kam der Augenblick, wo er die presbyterianische Irrlehre abschwören sollte. Als ihm der Priester die entsprechende Frage stellte, brach er plötzlich in Schluchzen und Tränen aus.
Die Umstehenden meinten, es sei aus Anhänglichkeit an seine früheren Freunde. 
Aber der alte Mann rief aus: „Mein Herz möchte zerspringen vor Leid und Reue bei dem Gedanken, dass ich über 20 Jahre den Irrtum geglaubt und verbreitet habe. Möge der liebe Gott mir verzeihen und mir die Gnade verleihen, ihm den Rest meines Lebens zu weihen im Dienste der einen, wahren Kirche!“
Und er fuhr fort zu weinen wie ein Kind, und die ganze Gemeinde weinte mit ihm.

Er wurde nun bedingungsweise wiedergetauft unter dem Namen Petrus. Der Missionär, auf seinen Namen anspielend, sagte zu ihm: „Da du nun bekehrt und befestigt bist im wahren Glauben, so gehe hin und lehre auch deine Brüder. Mögest du sein wie Petrus, ein Fels, und auf diesen Felsen möge Gott seine Kirche in Tschangi bauen!“
Der Neubekehrte machte sich sofort mit apostolischem Eifer ans Werk. Er kehrte nach Tschangi zurück und predigte seinen früheren Religionsgenossen die katholische Wahrheit, in der er sein Glück und seine Seligkeit gefunden. Seine überzeugungsvollen Worte und sein heiligmäßiger Wandel bewogen bereits viele, ihm zu folgen.

Vergebens suchten die presbyterianischen Geistlichen ihn zurückzugewinnen. Man bot ihm Ehrenstellen und reichen Lohn an, mehr als ihm der arme katholische Missionär bieten konnte. Aber das in China allmächtige Geld blieb ohne Einfluss auf seine gerade Seele. 
„Um alles Gold Amerikas“, erwiderte er, „gebe ich keine Jota von der Wahrheit preis. Ich war immer arm und will auch in meinem Alter nicht reich werden. Mein Reichtum ist in Gott und im Dienste seiner Kirche. Derjenige, der die Raben speist, wird auch mir meinen täglichen Topf Hirsebrei nicht versagen!“

So prallte die Versuchung ab. Die Presbyterianer sahen ihren Anhang täglich zusammenschrumpfen und verlegten den Mittelpunkt nach einem andren entfernten Flecken, Imma.
Allein auch dort machte sich der Einfluss des seeleneifrigen Konvertiten fühlbar. 
Er gewann seinen ehemaligen Kollegen, der jene Gemeinde leitete, für den wahren Glauben, und letzterer zog viele seiner Schäflein nach sich. So entstand auch hier auf den Trümmern des Presbyterianismus eine schöne Christenheit.

Leider sollte die Wirksamkeit unseres Apostels nicht lange dauern. Nicht ganz zwei Jahre hatte er, wie ein anderer Paulus, für die Kirche gearbeitet. 
Er redete gerne von der großen Gnade seiner Bekehrung, und Tränen entströmten seinen Augen, wenn er erwähnte, wie er früher die katholische Wahrheit, die er nicht kannte, bekämpft hatte. „Ich war ein Saulus“, pflegte er zu sagen; „aber Gott erbarmte sich meiner. O könnte ich, wie der hl. Paulus, meine Verfehlungen wieder gutmachen!“
Im Laufe des Winters wurde er krank. Er war während der ganzen Zeit ein Muster der Geduld und beweinte fortwährend seine Sünden.

Mit größter Andacht empfing er die heiligen Sterbesakramente und wohnte am Fest Pauli Bekehrung (25. Januar) der heiligen Messe bei, die der Missionär neben seinem Krankenlager feierte.
Er war ganz in das Geheimnis des Festes versunken und machte rührende Vergleiche zwischen dem großen hl. Paulus und dem kleinen bekehrten Saulus. 
„Wenn mein großer Schutzheiliger sich meiner annimmt“, sagte er, „So fürchte ich den Tod nicht. Er weiß, dass ich aus Unwissenheit gegen die katholische Kirche eiferte. Ich möchte mich so gründlich bekehren wie er und unter seinem Schutz sterben.“
Diese Gnade wurde ihm zuteil. Am selben Abend starb er eines heiligmäßigen Todes.

Tschisu (Schantung), China,                                                                      Morand Gaeng O.F.M.


(Aus: die katholischen Missionen, 1920)

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