Das wichtigste Gebet ist das Gebet um die Beharrlichkeit bis zum Ende. Siehe hier

Mittwoch, 25. November 2015

Der Vater der Missionäre



Am 19. November schied in Paris ein 83-jähriger Greis aus diesem Leben, zu dem einst Kardinal Richard gesagt hatte: „Ihnen fehlt die Bischofsweihe, aber Sie sind mehr als Bischof; Sie sind der Vater aller oder doch beinahe aller Bischöfe der Gesellschaft der auswärtigen Missionen.“ Dieser Mann war Prosper Bernard Delpech, der langjährige Vorsteher des Pariser Seminars.

Prosper Bernard war geboren am 9. April 1827 zu St. Antonin in der Diözese Montauban. Er entstammte einer ziemlich begüterten, aber nicht sonderlich religiösen Familie, und der Jüngling hatte einen harten Kampf durchzufechten, bis er am 21. Juli 1850 die Priesterweihe empfangen und am 25. September desselben Jahres ins Pariser Missionsseminar eintreten durfte. Der Grundgedanke, der ihn von Jugend an beherrschte, war, sich opfern für Christus und die Seelen; aber er sollte seine Kräfte auf einem ganz anderen Lebenspfad als denen eines Missionärs in den Heidenländern für die Mehrung des Gottesreiches aufbrauchen. Nur drei Jahre wirkte er außerhalb Frankreichs im großen Generalkolleg von Pulo-Pinang in Hinterindien. Dann wurde er nach Paris zurückberufen, um sich als einer der Direktoren an der Leitung des Missionsseminars zu beteiligen.

Zuerst wurde Delpech, der glänzende Studien gemacht hatte, der Lehrstuhl der Moral anvertraut. Bald gesellte sich zu dieser Arbeit die Leitung der Aspiranten des Seminars, und am 18. Oktober 1865 erfolgte seine Ernennung zum Assistenten. Drei Jahre später stand er an der Spitze des ganzen Seminars.

Die Stellung des Vorstehers einer solchen Vereinigung von Weltpriestern, die, ohne durch das feste Band der Gelübde und Ordensregeln verknüpft zu sein, an einem gemeinsamen großen Werk zusammenwirken, bedarf ungewöhnlicher Umsicht und Mäßigung, eines feinen Taktes und tiefer Selbstverleugnung, um bei aller Initiative keine Übergriffe in die Freiheiten anderer zu begehen. In welchem Maße Delpech diese Eigenschaft besaß, beweist die Tatsache, dass die Wahlstimmen nach Ablauf der ersten dreijährigen Amtsperiode noch zehnmal sich auf seine Person vereinigten und er also über 33 Jahre die Geschicke des Seminars leitete.

Es ist unmöglich, seine Verdienste während dieser langen Amtsdauer auf kurzem Raum auch nur annähernd zu würdigen; wir können nur die Hauptleistung andeuten. Von Anfang an richtete der hochw. Herr Delpech sein Augenmerk auf endgültige Festlegung des Reglements der Gesellschaft. Diese Arbeit bedurfte langer Studien und setzte die Geduld auf manche harte Probe. Umso größer war daher die Freude, als im Jahr 1890 von Rom die Genehmigung der verbesserten Regel einlief.

Zur Hebung der Missionstätigkeit rief er höchst glückliche Werke ins Leben. Im Jahr 1869 führte er eine neue Klasse von Laien-Gehilfen ein, die den Missionären die materiellen Sorgen erleichtern sollten. Zur Schonung und Aufbesserung der Gesundheit seiner Missionäre errichtete er drei Sanatorien, eines 1874 in Hongkong, das zweite Ende der achtziger Jahre in Montbeton in Frankreich und das dritte 1899 zu Wellington in der Diözese Coimbatur (Indien). Für die geistlichen Bedürfnisse sollte das 1883 in Hongkong eröffnete Exerzitienhaus dienen, während zur Gewinnung reichlicherer Unterstützungen der Geschäftsgang in geregelte Bahnen gelenkt und 1901 in Saigon eine neue Prokur geschaffen wurde (…)

Was Delpech den einzelnen Missionären und Seminaristen war, entzieht sich der näheren Kenntnis. Wie aber sein Bild in den Herzen der 2.500 Missionäre und 85 Bischöfe, die durch seine Hand gingen, lebte, drückte das kurze Wort aus, das Bischof Biet, Apostol. Präfekt von Tibet, 1900 gelegentlich des fünfzigjährigen Priesterjubiläums des Vorstehers sprach. „Alfons Rodriguez“, sagte er, „hat die christliche Vollkommenheit in vier Bänden geschrieben; wir besitzen den fünften Band, die christliche und apostolische Vollkommenheit.“

Der Lebensabend des ehrwürdigen Greises war schmerzensreich; aber nie kam eine Klage über seine Lippen. Fast ohne Todeskampf schlummerte er in der Frühe des 19. November hinüber, gerade als die Glocke die Hausgenossen zum Gebet rief.


(Aus: die katholischen Missionen, 1910)