Krankenpflege im osmanischen Reich |
Aus
der Jesuitenmission in der östlichen Türkei:
„Es
wäre“, meint P. Testanier S.J., „auch aus diesem so übel beleumundeten Volk [den Kurden] noch etwas zu machen, falls es gelänge, die Schranken des Misstrauens zu
durchbrechen, die sie von dem Verkünder des wahren Glaubens trennen. Dies
geschieht durch Ausübung der christlichen Liebe, zumal der Krankenpflege. Wir
haben schon früher auf den Eindruck hingewiesen, den der Samaritanerdienst der
Missionäre auf diese rauen Völker der Berge ausübt. Er erstreckt sich seit
Jahren auch auf die Kurden, und im näheren Umgang mit ihnen lernt man sie
besser und auch von ihrer guten Seite kennen.“
Lassen
wir P. Testanier einen solchen Ritt auf die Hochebene schildern: „Die
dampfenden, vom Aufstieg müden Rosse haben schon die Nähe einer Quelle
gewittert und setzen sich in Galopp über die weiche Grasfläche hin. Da zeichnen
sich auch schon auf der Höhe zwischen Büschen halb verborgen die Umrisse der
schwarzen Zelte ab.
Unsere
Ankunft wird durch die treuen Lagerwächter angemeldet. Es sind riesige Hunde,
die fletschend und kläffend auf uns losfahren. Die Kurden treten aus ihren
Zelten heraus, erkennen uns und rufen die grimmigen Köter zurück, die knurrend
von uns ablassen. Rasch hat sich die Kunde von der Ankunft der christlichen
Hakkims (Ärzte) im Lager verbreitet. Der Häuptling tritt uns entgegen, hilft
den Patres vom Pferd und heißt sie willkommen. ‚Allah‘, sagt er, ‚hat euch
gesandt; denn wir haben viele Kranke.‘
Im
Zelte des Häuptlings wird ein großer bunter Teppich ausgebreitet, man nimmt
Platz. Bald hat der ganze Stamm sich um uns versammelt, die Männer, wetterharte
Gestalten mit bronzenen Gesichtern und wilden Blicken, die Frauen stämmige,
untersetzte Matronen in buntfarbigen Röcken. Dazwischen drängt sich eine Schar
dürftig gekleideter Kinder mit struppigem Haar. Alle Augen sind auf den Hakkim
gerichtet. Er gilt diesem ungebildeten Volk als eine Art höheres, gottgesandtes
Wesen; alles an ihm erregt Bewunderung.
Die
ärztliche Untersuchung beginnt. Jede Art von Elend und Siechtum ist vertreten.
Man stellt Fragen, teilt Arzneien aus, verbindet Wunden. Ein sieben- bis
achtstündiger Ritt liegt hinter einem; aber man hat keine Zeit zum Ausruhen und
begibt sich gleich an die Arbeit. Das imponiert den Leuten. ‚Hah, das sind
Männer‘, hört man sie bewundernd sagen, ‚sie sind wie Löwen; sie kennen keine
Müdigkeit.‘ – Und dann immer wieder die Frage: ‚Warum kommen sie hierher aus
einem weiten fernen Lande? Warum tun sie und geben sie uns alles umsonst?‘
Darauf der Häuptling: ‚Ihr Hunde, wisst ihr denn nicht, dass sie das alles für
Gott tun? Es sind Männer Gottes; sie kommen von ihm gesandt, um unsere
Schmerzen zu lindern und unsere Krankheiten zu heilen.‘
Ist
man fertig, so rüstet man gleich zur Weiterreise. Andere Kranke in anderen
Lagern warten gleichfalls auf den Hakkim. Während er zu Pferde steigt, umringen
ihn die Leute und nehmen Abschied. ‚Gott möge dich geleiten; Allah möge dich
tausendmal segnen!“
Gewiss,
die Früchte dieser Tätigkeit reifen langsam; aber sie bringt diesen Völkern das
Christentum nach seiner schönsten, gewinnendsten Seite nahe und bereitet die
Wege.
(Aus:
die katholischen Missionen, 1908)