Von Jos. Peters S.J.[1]
In einem ausführlichen
Artikel, der 1925 in Die katholischen Missionen erschien, beleuchtet
P. Peters S.J. die positiven Einflüsse auf das religiöse Leben, die die
damaligen Übungen der Maiandacht in den Missionsländern hervorriefen. So
schreibt er: „Wir können (…) in voller Wahrheit sagen, dass im Allgemeinen die
Maiandacht in den Missionen als eine Gelegenheit zu ernstem Tugendstreben
aufgefasst wird, dass die Priester über besonderen Eifer im Sakramentenempfang
berichten, dass auch die lieben Kleinen angehalten werden, durch kleine Opfer
ihre Liebe zu Gottesmutter zu bezeigen. All die schönen Sitten, wie sie im Mai
in unseren Erziehungsanstalten in Übung sind, und in denen besonders gute
Ordensschwestern sich so erfinderisch zeigen, finden sich in den Missionen
wieder. Auch die kleinen Neger schreiben Briefchen an die Muttergottes, sie
wollten in diesem Monat recht brav sein und ihren Charakterfehler bekämpfen;
auch in den Missionen bringen die Kinder jeden Morgen ein Sträußlein frischer
Blumen zum Maialtar. Mit besonderer Vorliebe hören sie die „Marienbeispiele“. Namentlich
in den vielen Waisenanstalten und den Findelhäusern ist der Mai ein
Freudenmonat. Darüber wird nie eine Missionschronik gebührend berichten können,
wieviel Trost und Kinderglück die Maiandacht mit ihren schönen und reinen
Phantasiebildern in die empfänglichen Herzen dieser mutterlosen Waisen strahlt.
Hübsch
beschreibt eine italienische Missionsschwester aus Mangalore, wie ihre Kleinen
sich allabendlich um das festlich erleuchtete Marienbild im Hofe der
Waisenanstalt versammeln. Eine auserlesene Schar gruppiert sich mit leuchtenden
Sternen um den Maialtar. Dann singt man einige Marienlieder und betet das
„Memorare“, um dann mit einem Kusshändchen von der Mutter Abschied zu nehmen.
In der Veranstaltung echt kindlicher, naiver Maifeiern sind namentlich die
Italiener und Spanier Meister. Sie treffen damit vollkommen den Geschmack der
Missionsvölker, mag auch dabei nicht alles unserer Art entsprechen.
Ein liebliches
Maibild entwirft ein französischer Salesianer aus Indien: ‚Auch im Mai kommen
die Kinder gerne und knien am Altar der Muttergottes nieder. Sie sind noch ganz
grau vom Staub der Felder, ihre Kattunläppchen starren von Schmutz. Einander
stoßend und schiebend wie ein Schwarm aufgescheuchter Sperlinge ordnen sie sich
um das Bild. Eines der Kinder reicht zum Bilde der himmlischen Mutter einen Arm
voll indischer Blumen hinauf, und alle beginnen auf den Knien ihr Gebet. Das
Thermometer mag 30–35 Grad zeigen: ihre Andacht wird dadurch nicht
beeinträchtigt. Ein Ave löst das andere ab, und so würde es stundenlang dauern,
wenn man diese Kinder gewähren ließe. Zum Schluss ihrer Andacht singen sie
eines ihrer schönen Marienlieder in einheimischer Sprache.‘
Unter den
Maisitten der Missionen verdienen besondere Erwähnung die Blumenhuldigungen.
Auf den Philippinen treten an jedem Samstagmorgen des Mai unter dem Gesang des
„Salve Regina“ die Anwesenden an den Altar und opfern ein Körbchen mit Blumen,
das der Priester dann vor das Marienbild stellt. Weit kindlicher sind die in
Mittel- und Südamerika üblichen Blumenhuldigungen durch weißgekleidete Mädchen,
denen sich manchmal Knaben in den Trachten jugendlicher Heiliger, wie des hl.
Stanislaus, des kleinen Johannes des Täufers usw., zugesellen. Es ist
allerdings bezeichnend, dass man bei diesen Berichten in den Missionszeitschriften
oft die Bemerkung findet: ‚Das Volk läuft eifriger zur Maiandacht als sonntags
zur Messe‘, dass ferner ein brasilianischer Missionar die Bemerkung macht:
‚Erst die Teilnahme ihrer Kinder an der Blumenhuldigung veranlasst manche
Eltern zur Erfüllung ihrer österlichen Pflichten.‘ Immerhin steckt in diesen
Gebräuchen eine uralte katholische Überlieferung und eine Glaubensinnigkeit,
die uns die wehmütige Erinnerung an frühere Jahrhunderte wachruft, wo auch
unser Volk, unversehrt durch Protestantismus, Rationalismus und eine im
Relativismus befangene vergleichende Religionswissenschaft, sich vertrauend
unter dem weiten Mantel der hohen himmlischen Frau barg.
(…) Dass die
Heiligen- und Marienverehrung in den Missionen bei Neubekehrten bzw. ins Heidentum
Zurückgefallenen zu Irrungen und Aberglauben führen kann, ist eine Erfahrung
aller Missionare, und P. Dr. Fontaine aus der Mission Assam hat auf dem
Düsseldorfer Missionskursus 1919 darüber in einem Vortrag über den Kampf gegen
den Aberglauben eine große Menge Stoff zusammengetragen. Die Gründe zu solchen
Verirrungen liegen auf der Hand. Viele solcher Gründe vermag die
Religionspsychologie aufzuweisen. Wir möchten hier nur an die Tatsache
erinnern, dass sich in den Missionen bei den Marienprozessionen und an den
Marienheiligtümern fast stets Heiden einfinden, die alle religiösen Übungen
mitmachen und anstandslos der nach ihrer Meinung hier verehrten Göttin ein
Kerzenopfer bringen. Die einheimischen Religionen haben fast alle ihre
Fruchtbarkeitsgöttin oder eine Muttergottheit, die sie durch Opfer zu
besänftigen suchen. (Nur in Klammer sei hier bemerkt, dass nirgends der Heide mit
jenem kindlichen Vertrauen zu seiner Muttergottheit betet, wie der Christ bei
der Anrufung Mariens.)
Welche
Gefahren für eine Verdunkelung der Glaubensbegriffe in Sachen der
Marienverehrung bei schlecht unterrichteten Christen bestehen können, mag ein
Beispiel aus China beweisen, wo man einem Zerrbild der reinen Gottesmutter, der
Göttin Koan-yin, ebenfalls einen ganzen Monat weiht und ihr Gelübde und
Geschenke macht. Sie ist die liebenswürdigste Göttin im buddhistischen
Götterhimmel und in dem ihr geweihten Monat flattern auf den Küstenschiffen
lange Wimpel mit der Inschrift: „Himmlische Königin! Heilige Mutter des
Himmels!“ Man darf die Gefahr solcher heidnischen Gebräuche für eine
gutunterrichtete Christengemeinde nicht überschätzen, aber man möchte
anderseits auch wünschen, dass gewisse Beispiele von Marienverehrung, die bisweilen
in den populären Missionszeitschriften auftauchen, auf ihre religiöse
Grundanschauung untersucht werden. Die im Gottesdienst der Heidenmission
gebrauchten Weiheformeln an Maria sollten auf jeden Fall an dogmatischer
Klarheit nichts zu wünschen übrig lassen. An der Hand der himmlischen Mutter
und in Nachfolge ihres Tugendbeispieles sollen die Neuchristen zum Heiland
kommen, „auf dass sie in der Liebe festgewurzelt sind“ und „zu erfassen
vermögen ihre Breite und Länge, ihre Höhe und Tiefe und die Liebe Christi
erkennen, die alle Begriffe übersteigt, und dadurch ganz von Gott erfüllt
werden“ (Eph. 3, 16–21).
Gegenüber
einzelnen Gefahren einer unerleuchteten Marienverehrung steht der herrliche
Segen, den die Maiandacht verbreitet. Die Gnaden für Leib und Seele, die Marias
mächtige Fürbitte vermittelt, entziehen sich allzu oft menschlicher Berechnung
und Feststellung. Aber auch der nicht im Glauben erleuchtete Verstand vermag
die Wirkungen der Marienverehrung auf dem moral- und religionspädagogischen
Gebiete festzustellen. Welch ein hohes Vorbild ist den im Sumpf der
Unsittlichkeit versunkenen Völkern das Bild der reinsten Gottesmutter, jenen
Völkern, die oft erst ganz langsam zum Verständnis des christlichen
Reinheitsideals gebracht werden können! Wir wollen einem praktischen Missionar
das Wort geben, um den Segen der Maiandacht zu kennzeichnen. Ein Pallottiner
berichtete vor 12 Jahren aus Kamerun: ‚Speziell in Kamerun wird die
Neuchristen recht bald die Maiandacht gelehrt, und nun übt man sie mit großem
Eifer. Wir sind uns bewusst, damit dem Neger ein Stück wahren Christentums
gelehrt zu haben. Weit davon entfernt, dass der Eingeborene, wie Andersgläubige
meinen, götzendienerische Ideen mit dieser Andacht verbindet, empfängt er aus
der Gnadenhilfe der Hochgebenedeiten und aus der Anregung gerade der Maiandacht
nachhaltige religiöse Hilfe. Besonders das weibliche Geschlecht erhält da
Antriebe für das praktische Tugendleben, die umso nötiger sind, als die Frau
bei den meisten Heiden aus dem Bannkreis niedrigster Auffassung von ihrer
Bestimmung nicht herauskommt. Wie wohltuend und segensreich muss da nicht eine
Andacht sein, die ferner die Neger Hochachtung gegen eine Angehörige des von
ihnen so tief eingeschätzten und so roh behandelten weiblichen Geschlechts
lehrt! Es kann nicht ausbleiben, dass Maria mit ihrer Bedeutung im Christentum
und im kirchlichen Andachtsleben ihrem Geschlecht eine Stellung erringen hilft,
die die notwendige Grundlage für die wahre Kultur und tieferes Christentum ist.
Allen diesen Nutzen erhoffen wir in Kamerun aus der Verehrung Mariens, vor
allem aus der Maiandacht.‘
Die
Maiandacht hat sich heute über die ganze Erde verbreitet. Da aber der Monat Mai
auf der südlichen Halbkugel in den Herbst fällt und in den Tropen oft die unangenehmste
und heißeste Jahreszeit einleitet, so musste sich die Missionskirche die Frage
vorlegen, ob es nicht angebrachter wäre, den Marienmonat, der mit dem
Frühlingsbeginn so enge symbolische Verbindung hat, auf eine andere Jahreszeit
zu verlegen. Man musste dann freilich auf eine besondere Feier des
Rosenkranzmonats zumeist verzichten, oder beide Feiern zusammenlegen, oder
schließlich den Rosenkranzmonat in der Zeit begehen, wo auf der nördlichen
Erdhälfte Frühling ist. Viele Missionare traten entschieden für die
gleichzeitige Feier der Maiandacht auf der ganzen Erde ein, mit der Begründung,
dass die Feier des Maimonates mit dem katholischen Empfinden so stark
verwachsen, und dass es ein so tröstliches Bewusstsein sei, wenn im Mai auf der
ganzen Erde Maria gepriesen werde. Aus diesem Grunde hat man in Australien die
zeitweise auf den August (die schönste Jahreszeit in Australien) verlegte
Maiandacht wieder zurückverlegt. In Indien hat man sich auch nicht zu einer
Verlegung entschließen können; man feiert allerdings die Maienkönigin nur wenig
im Mai, desto mehr aber im schöneren Monat Oktober, wenn frische Blumen in
Fülle zur Verfügung stehen. (…) An eine Verlegung des Rosenkranzmonates ist man
bisher unseres Wissens nirgendwo herangetreten.
Der Gedanke
an eine einheitliche Maifeier ist durch die geschichtliche Entwicklung, die von
der Kirche wohl kaum rückgängig gemacht wird, praktisch in verneinendem Sinne
gelöst worden. In Chile, Paraguay, Uruguay und Argentinien begeht man den
Marienmonat im November, und zwar gewöhnlich vom 8. November bis 8. Dezember,
wo das Fest der Unbefleckten Empfängnis einen guten Abschluss bildet. In
Patagonien haben die Salesianer mit Rücksicht auf die im November mit der Sorge
um ihre Herden stark beschäftigten Indianer den Marienmonat auf die Zeit vom 9.
Oktober bis 10. November verlegt. Aus Mariannhilll [Südafrika] liegt
gleichfalls eine Nachricht über die Maifeier im November vor. Die Kopten in
Ägypten feiern die Maiandacht im Dezember, wenn nach der Nilüberschwemmung das
Land sich mit frischem Grün bedeckt. Zieht man noch in Rücksicht, dass die
griechisch unierte Kirche in der vierzehntägigen Vorbereitungszeit auf das Fest
Mariä Heimgang im August und an den Freitagen der Fastenzeit auch eine Art Maiandacht
hält, so muss man zugeben, dass von einer zeitlichen Gleichheit in der Feier
des Marienmonats nicht die Rede sein kann. Wir halten es auch für eine sehr
kluge Anpassungsmaßnahme, wenn die Kirche in den Missionen die namentlich in
den subtropischen Gegenden bestehenden Frühlingsfeiern adelt und
verchristlicht, wie sie es bei unseren Altvordern getan hat. Es ist zudem auch
ein religiös erhebender Gedanke, dass überall, wo auf Erden der Frühling
erblüht, fromme Lieder zur himmlischen Königin erschallen, die uns in Christus
den Frühling der Erlösung schenkte.
[1] Peters,
Jos. S.J.: Maria Maienkönigin. In: Die katholischen Missionen,
Xaverius-Verlagsbuchhandlung, Aachen 1925
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