Im Monat Dezember des Jahres 1861 kam zum hochwürdigsten
Herrn Bischof Faurie der chinesischen Provinz Kajtscheu ein Katechist und
meldete, im Dorfe Kia-tscha-lung sei eine Familie bereit, den christlichen
Glauben anzunehmen. Alsbald schickte der Oberhirt den hochw. Herrn Néel,
Mitglied der Gesellschaft der auswärtigen Missionen von Paris, an Ort und
Stelle, um den Unterricht zu vollenden und die heilige Taufe zu erteilen. Gott
segnete die Arbeit seines Dieners und bald hatte er eine junge Gemeinde von
etwa 50 Seelen gebildet. Ganz glücklich wollte der Missionär auf einige Tage
nach der Hauptstadt gehen, um dem hochw. Bischof den gesegneten Erfolg seiner
Mühen mitzuteilen, als man ihm meldete, der Befehlshaber der Bürgerwehr habe
einen seiner Neubekehrten verhaftet und gesagt, er werde mit allen Christen im
Dorf kurzen Prozess machen.
Nun beschloss der treue Hirte, in solcher Gefahr seine Herde
nicht zu verlassen. „Ich bleibe auf meinem Posten, um meine Neubekehrten zu
ermutigen“, schrieb er am 16. Februar 1862 an seinen Bischof. Zwei Tage später,
am 18. Februar, kamen zahlreiche bewaffnete Häscher unter der Leitung von Mandarinen
zu Pferd und in Sänften, umstellten unversehens das Haus, in dem sich der
Missionär befand, und knebelte den Besitzer des Hauses, Johann Tschang, den
Katechisten Johann Tschen und den Täufer Martin Uh.
Der hochw. Herr Néel hatte sich in ein inneres Zimmer
geflüchtet, um die heiligen Gefäße zu verbergen; aber bald flog die Türe unter
den Schlägen der Soldaten in Stücke und die vier Bekenner wurden alsbald nach
Kajtscheu abgeführt. Den Missionär banden die rohen Knechte mit den Haaren an
den Schweif eines Pferdes und hatten ihr Gespött daran, wie sich der Priester
quälen musste, dem Reiter Schritt zu halten.
„Wie heißt du?“ schrie der Mandarin, der bereits die
Gefangenen erwartete, den Missionär an. „Auf Chinesisch nennt man mich Uen, auf
Französisch Néel“, antwortete dieser. „Knie dich nieder wie die anderen!“ –
„Ich bin kein Chinese“. Ich komme aus Frankreich, um gemäß der Verträge die
wahre Religion zu verkünden.“ Da schlug ein Henkersknecht mit einer schweren
Kette den Missionär so wuchtig auf den Rücken, dass er zu Boden stürzte. Ruhig
richtete er sich auf seine Knie auf und wollte seinen Pass vorweisen. „Danach
habe ich gar nicht gefragt“, sagte der Richter; „entsage deiner Religion oder
ich lasse dich töten!“ „Diese Aufforderung ist umsonst – töte mich!“ „Du wirst
nicht lange zu warten haben! Und ihr anderen Dummköpfe,“ sagte der Mandarin,
sich an die drei Christen wendend, „wollt ihr der christlichen Religion
entsagen?“ „Niemals“, riefen alle einstimmig. „So tötet mir diese ganze Brut und
damit Basta!“
Hiermit griff der Richter zu seinem Pinsel und schrieb folgendes
Urteil: „Ich habe rechtzeitig eine Verschwörung entdeckt und ihre Urheber mit
dem Tode bestraft.“ Noch wagte einer der Beisitzenden die Bemerkung: „Aber
dieser Mann hat einen Pass – man kann ihn doch nicht so töten!“ „Du wirst
gleich sehen, dass man einen Franzosen gerade so leicht töten kann wie einen
Chinesen“, erwiderte der Richter und gab Befehl, den Verurteilten ihre Kleider
auszuziehen, „denn sie sind nicht würdig, Kleider zu tragen,“ sagte er.
So führte man die vier Bekenner durch die gaffenden Scharen
zur Hinrichtung. Der Befehlshaber der Bürgerwehr von Kia-tscha-lung schlug
eigenhändig das Haupt des hochw. Herrn Néel ab. Tags darauf gesellte sich zu
den vier Blutzeugen noch eine Christin namens Lucia Y., welche ebenfalls des Glaubens
wegen enthauptet wurde. Die Leiber warf man den wilden Tieren zum Fraße hin,
während ihre Köpfe zum abschreckenden Beispiel auf die Zinne von Kajtscheu
gesteckt wurden. Der hochwürdigste Bischof Faurie tat alles, um diese kostbaren
Überreste zu erhalten; mehrere Versuche waren vergebens, bis es endlich in der
Nacht vom 5. auf den 6. März fünf mutigen Knaben gelang, die Häupter der
Blutzeugen dem Bischof zu bringen.
(Aus: die katholischen Missionen, 1876)
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