Leider finde ich erneut einen Anlass, das heikle und auch
recht undankbare Thema des sofort verkündeten Martyriums von ermordeten
Christen durch Blogs und andere Medien zu behandeln. Ich möchte gleich
vorwegschicken, dass ich niemanden als verdammt erklären möchte und jedem
Menschen von Herzen die ewige Seligkeit wünsche, wie das jeder Katholik sollte,
was ja auch nicht zuletzt der Anlass für dieses Blog ist.
Jetzt zum konkreten Fall: am Gründonnerstag wurde laut
Medienberichten der Campus der Garissa University im Osten Kenias von Anhängern
der Al-Shabaab-Miliz angegriffen, wobei es 152 Todesopfer gab, darunter auch
vier Angreifer. Anscheinend haben die mohammedanischen Terroristen unter den
Studenten gezielt Christen als Opfer ausgesucht.
Leider ließ es nicht lange auf sich warten, bis wieder eine voreilige Rundum-Kanonisierung der Toten im Internet veranstaltet wurde, diesmal
besonders auffällig durch den italienischen Autor Roberto de Mattei, der
in einem Artikel zu dem Thema Christenverfolgung Folgendes schrieb (meine
Übersetzung):
„die Sterne der 148 neuen Märtyrer leuchten hell am Firmament der
Kirche. Die jungen christlichen Opfer des Islam vom vergangenen Gründonnerstag
in Kenia dürfen nicht bemitleidet, sondern müssen beneidet werden, da sie die große
Gnade des Martyriums erhielten.“
Diese Aussage ist schlichtweg
höchst unklug. Nicht nur kann Herr de Mattei den Hergang jedes einzelnen „Martyriums“ unmöglich selbst kennen und mit Sicherheit sagen, dass jeder der Ermordeten bis zum Ende
standhaft war, er zieht auch die Tatsache nicht in Betracht, dass in Kenia von
den 83 % der Bevölkerung, die sich als Christen bezeichnen, nur 23,5 %
Katholiken sind, und wiederum Katholiken in der katholischen Diözese Garissa
nur 0,9 % der Gesamtbevölkerung von 720.000 ausmachen. Ist es da nicht
wahrscheinlich, dass viele der Ermordeten gar keine Katholiken waren?
Da stellt sich nun wieder die Frage, am Firmament welcher Kirche diese „Märtyrer“
leuchten. Auch die Vornamen wie Ruth,
Abel, Eliud, Gideon, Faith usw. deuten wohl eher auf
Protestanten als auf Katholiken hin. Auch wenn es viele Leute stört, die Kirche
hat schlichtweg nie Nicht-Katholiken als Heilige oder Märtyrer verehrt. Es gibt
zwar manche Kommentatoren im Internet, die das steif und fest behaupten, mit
etwas Recherche stellt sich dann aber heraus, dass es sich entweder doch um
Katholiken handelt oder die Betroffenen eben nicht als Heilige verehrt werden.
Und selbst wenn die Ermordeten
alle Katholiken waren, kann man wohl so voreilig sein und diese gleich „kanonisieren“?
Die Seligsprechungsprozesse von Märtyrern sind nicht so leicht, wie man das sich vorstellen möchte. In
einer Publikation der Erzabtei St. Ottilien schrieb der Postulator für die
unter den Kommunisten ermordeten Benediktinermissionäre vor einigen Jahren, dass man zunächst bei
den Märtyrern die Tugenden untersuchen muss, die diese vor ihrem Tod
geübt haben, um einigermaßen sicher sein zu können, dass sie bis zum Ende
durchgehalten und die Märtyrerpalme errungen haben. Der heilige Alfons
schildert in einem seiner Bücher, dass ein Katholik, dessen Hals von den Verfolgern schon fast
durchtrennt worden war, am Ende doch noch ins Wanken geriet. Solange wir nicht durch
eine kirchliche Untersuchung oder genaue Schilderungen wissen, wie der Hergang
war, sollte man sich wohl mit solchen Urteilen etwas zurückhalten, was
natürlich nicht bedeutet, dass das Martyrium von vorneherein ausgeschlossen
werden soll.
Was am Schwersten bei dieser
zunehmenden Kritiklosigkeit wiegt, ist die Tatsache, dass sie letztendlich
religiösen Indifferentismus fördert. Wenn ich auch als orthodoxer Kopte, als
Anglikaner, als Mennonit, als Presbyterianer usw. Märtyrer werden, d. h.
die höchste Form der Christusnachfolge erreichen kann, wieso sollte ich denn da
überhaupt noch katholisch sein? Ist das denn überhaupt so wichtig? Ja, in
weiterer Konsequenz könnte man sagen, auch ein Jude kann Märtyrer werden, wenn
er wegen des Bekenntnisses des rabbinischen Judentums ermordet wird, da er scheinbar
an denselben Gott glaubt wie die Christen, wenn auch nur an einen
einpersönlichen Gott. Aber gibt es nicht auch Christen, die nicht an die allerheiligste
Dreifaltigkeit glauben? Dann müsste doch auch ein Jude Märtyrer werden können,
immerhin ist er ja auch unser „älterer Bruder“…und so wird dann das Dogma der Heilsnotwendigkeit der katholischen Kirche immer mehr aufgeweicht. Mancher geht
vielleicht nicht ganz so weit, aber es gibt auch glaubenstreue Katholiken, die durch
ihre Argumentation den Eindruck vermitteln, dass nicht unbedingt jeder einzelne, aber
doch ein großer Teil der Nicht-Katholiken eigentlich im unüberwindlichen Irrtum ist und bei Ermordung durch Moslems oder dergleichen gerettet wird. Fakt ist, dass man es nicht weiß, und darum sind wohl die Missionäre immer auf Nummer sicher gegangen. [Ich habe den Text hier etwas angepasst, um das von Papst Pius IX. in singulari quadam bezüglich der Grenzen des unüberwindlichen Irrtums Gesagte nicht einzuschränken].
Hat nicht Papst Pius IX. den Satz verurteilt, dass man gute Hoffnung hegen darf für die Seligkeit aller, welche nicht in der wahren Kirche Christi leben? Darum kann ich nur
abschließend sagen, dass man sich lieber mit der Missionierung von Nicht-Katholiken
beschäftigen sollte, anstatt sich mit irgendwelchen Quasi-Kanonisierungen
zu befassen. Hier noch ein schönes Zitat aus berufenem Munde:
„Wie kommt es, dass in der christlichen Welt neben dem heiligen Berge
der katholischen Kirche noch zwei andere Berghügel im Dämmerlicht sich erheben [Orthodoxie
und Protestantismus]? Warum gehören sie
nicht mehr zu uns wie einst? Warum haben sie sich und bleiben sie von uns
getrennt? Schmerzliche Frage, ernste Wahrheit! Die Menschen und Völker erhalten
den wahren Glauben, aber sie können ihn auch wieder verlieren. Gott achtet die
menschliche Freiheit. Wenn aber Gott in seiner Güte Wahrheiten offenbarte und
Wege und Mittel kundtat, die zur Erlangung des Heiles notwendig sind, dann hat
er auch in seiner Weisheit die Maßregeln getroffen, damit diese Rettungsmittel
rein und unverfälscht in die Menschenhände gelangen. Die katholische Kirche ist
diese Maßnahme der göttlichen Vorsehung. Christus baute seine Kirche auf
Petrus, den Felsen, „und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“
(Matth. 16, 18). In seiner Kirche hat Christus den Glaubens- und Gnadenschatz
hinterlegt. Und zwei schützende Flammen umlodern ihn: Glaubensgeist und
Missionsgeist. Ein lebendiger Glaube will und muss wachsen und sich ausdehnen.
Gib deinem Glauben Missionskraft, und der Glaube wird in dir lebendig bleiben.“ - P. Robert Streit O.M.I.