Eine Missionslegende: Bischof Martin Marty O.S.B. (1834-1896) |
Wir haben in früheren Jahren schon wiederholt auf diese allgemeinen Kongresse der katholischen Indianer South-Dakotas hingewiesen. Über den Verlauf des diesjährigen, der am 17., 18. Und 19. Juli in der Rosenkranz-Mission der deutschen Jesuiten stattfand, schreibt der Obere dieser Station, P. Aloys Bosch S.J., wie folgt:
„Der Kongress ist in mehr als einer Beziehung noch schöner abgelaufen als die früheren, weil mehr katholisches Leben und Wirken sich bekundete. Woher solches kam, kann ich selbst nicht genau sagen. Es ist wohl eine natürliche Entwicklung des Samens, der in den früheren Kongressen ausgesät wurde, und dann lernen die Indianer eben auch immer mehr ihre Sodalitäten handhaben.
Der glückliche Erfolg macht mich aber umso froher, weil die Aussichten auf einen solchen ziemlich trübe waren. Ein hungriger Magen hört gewöhnlich nicht auf das Wort Gottes. Von dieser Seite aber drohte unserem Kongress gerade die größte Gefahr.
Unser neuer Agent hatte nämlich den Indianern strenge Vorschriften gegeben, denen gemäß sie keine jungen Stiere und alten Kühe zur Bewirtung der Gäste hergeben durften, und so stand die Magenfrage wie eine schwarze Wetterwolke über dem kommenden Kongress.
Schließlich blieb kein anderes Mittel übrig, als in den Missionsbeutel zu greifen und von Nebraskafarmern das notwendigste Schlachtvieh zu kaufen.
Es waren 18 Stück; dazu gab dann der Agent, dem die hungernden Leute, wie es scheint, doch etwas bedenklich vorkamen, weitere 12 schöne Stiere, und so war das Fundament für das Höhere wenigstens einigermaßen gelegt. Freilich hieß es noch einmal in den Beutel greifen, um auch noch den nötigen Zucker, Kaffee, das Mehl und andere Kleinigkeiten anzuschaffen; aber da die Indianer immer so etwas haben, so war die Auslage keine so gewaltige.
Mein Bruder Bäcker hat es wohl am meisten fühlen müssen. Seine Liebe zu den Indianern aber, und der Wunsch, zum Erfolg des Kongresses das seinige beizutragen, ließ ihn den Teig nur fester kneten.
Ein anderer Sorgenpunkt war die Art und Weise, wie unsere Pine Ridge-Leute das große Laubhüttenzelt, in dem die Versammlungen stattfinden sollten, aufrichten könnten, und wie mein Präsident, ‚die weiße Antilope‘, und sein Stab die Bewirtung der Gäste nach Recht und Gerechtigkeit in die Hand nähmen. Aber da hatte ich wieder Gelegenheit, die Ruhe und Umsicht und das gemessene Wesen unserer Indianer kennen zu lernen.
Das Zelt wurde in drei Tagen aufgerichtet; freilich ging dabei auch ordentlich Zucker, Kaffee und Brot drauf ‚Die weiße Antilope‘ aber waltete ihres Amtes mit einer Ruhe und Umsicht, die einem deutschen Bürgermeister aus alter Zeit Ehre gemacht hätte. Es liefen zwar im Verlauf des Kongresses einige Klagen ein; ich hielt aber sein Ansehen aufrecht, und so ging alles gut.
Der dritte Sorgenpunkt war: Wie den hochwürdigsten Herrn Bischof empfangen? Es lief gar keine Nachricht von seiner Ankunft ein; mit der Post sah es überhaupt verzweifelt schlecht aus. So erhielt ich meine eigenen Briefe, die ich in St. Francis geschrieben und worin ich meine Ankunft in Pine Ridge anmeldete, erst nach acht Tage in Holy Rosary Mission.
Sollte der Brief vom hochwürdigsten Herrn Bischof auch so verloren gegangen sein? Wenn ja, dann taucht der Bischof plötzlich auf und der feierliche Empfang, ein Hauptereignis beim Kongress, ist unmöglich!
Doch auch dieser Sorge war ein Ende bereitet.
Da stehe ich gerade unten an der Pforte und dirigiere einige Indianer in ein Schulzimmer hinein, als eine wohlbekannte Stimme an mein Ohr schlug. Ich schaue auf, und da steht der hochwürdigste Herr Bischof Martin Marty O.S.B. in einem leichten grauen Staubrock vor mir was.
Was für eine Überraschung! Der hochwürdigste Herr hatte mir gar keinen Brief geschrieben, und der Grund war seine Schwäche. Er wusste nicht, ob er die Reise einen Tag oder zwei aussetzen müsste, und so wollte und konnte er auch nicht einen Tag für seine Ankunft bestimmen.
Wir trugen natürlich beste Sorge für unseren hohen Gast, was umso mehr nötig war, weil der hochw. Herr von der Reise sich sehr erschöpft fühlte. Alles das jedoch hielt ihn nicht ab, am nächsten Nachmittag mit mir die ganze Mission zu besichtigen und am nächstfolgenden Tag einen Besuch beim Agenten zu machen.
Unterdessen waren nun auch unsere katholischen Indianer von Nord und Ost gekommen, in langer, nimmer enden wollender Wagenprozession. Ein erhebender, aber auch Mitleid erregender Anblick. Ich wenigstens musste noch jedes Mal meine Bewegung unterdrücken, wenn ich die wandermüden Leute und Tiere sah, von denen viele über 400 Meilen dahergezogen kamen.
Und wenn sie dann auf ihrem Zug dem Schwarzrock begegnen, halten sie an, schütteln ihm treuherzig die Hand und freuen, sich, dass es ihnen nur so aus den dunklen Augen strahlt.
Der 16. Juli endlich brachte uns die lieben Benediktinerpatres P. Bernhard und P. Franz nebst dem P. Superior von St. Francis Mission, P. Digmann, mit der ehrwürdigen Mutter und einigen Schwestern (von Heythuizen) und nun konnte der Kongress eröffnet werden.
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(Aus: die katholischen Missionen, 1896)