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Sonntag, 15. Juli 2012

Die Mission unter den Aussätzigen in Japan


Vor nicht ganz einem Jahr starb im Sanatorium von Hongkong P. Testevuide aus dem Seminar der Auswärtigen Missionen, der „P. Damian von Japan“, wie er nicht mit Unrecht genannt worden ist. (…) Sein Name wird unauslöschlich in den Herzen der armen Aussätzigen und in den Blättern der japanischen Missionsgeschichte geschrieben bleiben.
Wir fügen den früheren Ausführungen zunächst den kürzlich veröffentlichten Brief bei, in dem der opferwillige Missionar seinen derzeitigen Missionsoberen und Bischof um die Erlaubnis bat, sein Leben den armen Aussätzigen weihen zu dürfen.

„Ich kenne sehr wohl die Gefahr, Monseigneur, der ich entgegengehe. Vielleicht dass dieselbe mich eines Tages des Glückes beraubt, länger mit Ew. Gnaden und mit meinen lieben Mitbrüdern zu verkehren.
Wenn aber Gott in seiner gerechten und doch liebevollen Vorsehung zulassen sollte, dass das Übel, von welchem ich andere zu heilen verlange, mich selber erfasst, so wird die Erinnerung an jenes Wort des Heilands mich trösten, dass er auch ein Glas kalten Wassers, in seinem Namen und aus Liebe zu ihm gespendet, nicht unbelohnt lassen will.
Ich darf dann umso zuversichtlicher vor Gottes Richterstuhl hintreten. Ich erbitte mir also von Eurer Paternität als letzte Gnade die Erlaubnis, inmitten der Aussätzigen leben und sterben zu dürfen.“

Das letztere sollte ihm nicht vergönnt sein, da er fern von ihnen, auf einer Reise, die er ihretwegen unternommen hat, dem schmerzlichen Leiden eines Magenkrebses erlag.

Nach seinem Tode wandte sich Msgr. Osouf, Erzbischof von Tokio, unverzüglich an P. Vigroux und ernannte ihn zum Nachfolger im Amte eines Vaters der Aussätzigen.

„Ich brauche Ihnen“, so schreibt er unter anderem, „nicht zu sagen, wie viel Gutes Sie dort wirken können. Wenn auch die körperlichen Leiden der Armen unheilbar sind, so können Sie doch dieselben lindern, namentlich aber die Seelen der Unglücklichen erheben über die Heimsuchungen dieses gegenwärtigen Lebens und vorbereiten für den Genuss der ewigen Freuden des Himmels.“

Was den materiellen Unterhalt des Missionars und seiner Anstalt angehe, so könne er, der Bischof, im Augenblick nichts für ihn tun.
P. Vigroux müsse sich denselben selbst zu verschaffen suchen und wie P. Testevuide für seine Aussätzigen zum Bettler werden. Übrigens gebe es immer noch edle Seelen, die sich eine Freude daraus machten, ein Werk solch selbstloser Liebe zu unterstützen.

P. Vigroux dankte dem Bischof für sein Vertrauen und erklärte sich sofort freudig bereit, dem neuen eigenartigen Beruf zu folgen. Ohne Verzug bezog er seinen neuen Wirkungskreis. In einem Brief an seinen Bischof gibt er über den gegenwärtigen Stand von Gotemba folgende Auskunft: „ Für den Augenblick enthält die Anstalt 34 Kranke, zahlreiche andere bitten um Aufnahme.
Sie warten alle sehnsüchtig auf die Rückkehr P. Testevuides. Ach! Sie warten umsonst auf ihren lieben Vater, er wird nicht wiederkommen…“
Im Vertrauen auf Gottes Hilfe hat P. Vigroux 10 neue Aussätzige aufgenommen, so dass ihre Zahl im August 1891 44 betrug. Andere warten immer noch auf Einlass, und es tut dem Herzen weh, ihn auch nur zeitweise verweigern zu müssen.

„Was soll ich nun von dem physischen und moralischen Zustand der armen Kranken sagen? Ihre Krankheit ist grässlich und weckt Schauder und Mitleid zugleich. Sehen Sie diese Klumphände, diese abgenagten Daumen, diese bis auf einem hässlichen Stummel abgefaulten Arme und Beine.
Schauen Sie in diese Gesichter, die kaum mehr etwas von einem menschlichen Antlitz an sich haben; denn die Lippen sind dick geschwollen, die Augen blutunterlaufen, die Lider umgeschlagen und halbzerfressen, die Wangen hässlich aufgedunsen und mit weißen Aussatzflecken besprengt.
Einige sind am ganzen Leib so angeschwollen, dass sie auf den ersten Blick wie eine dicke formlose Fleischmasse erscheinen, andere über und über bedeckt mit kleinen Blutgeschwürchen oder Stippen, ähnlich den Maserflecken.

„Welch grässlicher Anblick! Aber wenigstens besitzen diese Unglücklichen jetzt eine Zufluchtsstätte. Ist ihr Elend auch groß, so haben sie doch jetzt eine liebende Hand gefunden, die sie pflegt. Sonst irrten sie, von Haus und Herd vertrieben und von den eigenen Blutsverwandten verstoßen, hilflos auf den Straßen umher, mit Lumpen bedeckt und dem Hungertod oder der Verzweiflung preisgegeben.
Mochten sie auch vielleicht unter den Vorübergehenden hin und wieder einen treffen, der ihnen eine oder zwei kleine Münzen zuwarf, oder mochten sie so glücklich sein, hier und dort an einer Türe ein Näpfchen Reis zu erhalten, nirgends hatten sie das Glück, eine Seele zu finden, die ihnen liebend ein Obdach bot oder ein Wort des Trostes für sie hatte.
Heute aber haben diese Verlassenen ein Heim gefunden, ein Kleid, das sie deckt, eine Hand, die sie nährt, und was wertvoller ist, Herzen, die in warmer Teilnahme ihnen entgegenschlagen. Und mit der Pflege habe sie auch das Geheimnis gefunden, mit Geduld, ja mit Liebe zu leiden.
Elf von den Aussätzigen sind bereits Christen. Von den übrigen bereiten sich die älteren Insassen fast alle auf die heilige Taufe vor, während die Neuangekommenen fleißig dem christlichen Unterricht beiwohnen.
Zweifellos werden sie alle eine Religion schätzen und lieben lernen, die allein im Leiden wahren Trost zu bieten vermag. Hoffentlich werden alle bald Christen sein und damit das freudige Bewusstsein erlangen, dass das eigentliche und selige Leben erst noch zu beginnen hat.“

Wenn man bedenkt, dass man in Japan allein an die 8.000 Aussätzige zählt, dann erscheint freilich die Anstalt von Gotemba wie ein Tropfen am Eimer. Und doch ist sie von großer Bedeutung. Zunächst ist einmal der Anfang gemacht.
Auch Molokai hat klein angefangen, bis der Heroismus eines P. Damian den bislang unbekannten Winkel der ganzen christlichen Welt teuer gemacht und die regste Teilnahme wachgerufen hat. Sodann wird die Sprache der Liebe, die sich bei diesem Werke so rührend äußert, auch zu den Herzen der Japaner überzeugender reden als alle Beredsamkeit und ihnen den Weg zur wahren Kirche weisen.
Die protestantischen Missionsgesellschaften haben in Japan hundertmal mehr materielle Hilfsmittel und politischen Einfluss. Die katholische Kirche aber hat die Wahrheit und das Unterscheidungszeichen des Geistes Christi, die selbstlose, opferwillige Liebe. Und so möchten wir denn das Erbe des P. Testevuide unseren Lesern herzlich empfohlen haben.


(Aus: die katholischen Missionen, 1892)

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