Eine
empfindliche Lücke in die Reihen des vorderindischen Episkopats riss der Tod
des hochw. Erzbischofs von Colombo, Msgr. André Theophile Melizan O.M.I.
Marseille, die Wiege der Genossenschaft, welcher er angehörte, war auch sein
Geburtsort. In den Adern des am 29. September 1844 geborenen Theophile floss
das rasche Blut des Provenzalen, und es bedurfte der starken Hand eines
strengen Vaters, um den jungen Studiosus bei seinen Büchern und Studien zu
halten. Ein eigentümliches Zusammentreffen hatte dessen Beruf bestimmt.
1856
empfing Melizan aus der Hand des damaligen Apostol. Vikars von Jaffna (Ceylon),
Msgr. Semeria, die erste heilige Kommunion. Dem ehrwürdigen Prälaten fiel das
intelligente Gesicht des lebhaften Knaben auf, und er fragte ihn lächelnd: „Möchtest
du nicht als Missionär mit mir nach Ceylon gehen?“ – O ja, Monseigneur, sehr
gerne“, lautete die prompte Antwort.
Fortab träumte der Knabe nur noch von der
Perleninsel Ceylon. Sein Beruf war entschieden. Mit 18 Jahren trat er 1862 in
die Kongregation der Oblaten. Sein unruhiges stürmisches Temperament blieb ihm
auch im Ordenskleid. „Das ist die Lawine Melizan“, hieß es, wenn er in
jugendlichem Ungestüm durch Gänge und über Treppen sauste.
Am 19. September
1868 stand der neugeweihte Priester an Bord des Schiffes, das ihn nach dem Land
seiner Träume bringen sollte, und sandte wie so viele Tausende französische Missionäre
seinen Abschiedsgruß zum Heiligtum von Notre-Dame de la Garde hinauf. Ihm gilt
der erste und letzte Blick der von Marseille abgehenden und dort landenden
Apostel Frankreichs.
In Jaffna wurde die Ankunft der neuen Verstärkung durch
ein kleines Festmahl gefeiert. Statt der Speisekarte hatte ein alter launiger
Missionär jedem der Ankömmlinge einen Spruch aus der Heiligen Schrift auf den
Teller gelegt. Melizan, der mit seinem Flaumbärtchen noch sehr jugendlich
aussah, las auf seinem Zettel die Worte: „Quis, putas, puer iste erit?“ (Was
wird wohl aus diesem Knaben werden? Lk 1,66).
Das sollte
sich bald zeigen. In wenigen Jahren zählte Melizan zu den tüchtigsten
Missionären Jaffnas, der mit dem angeborenen Ungestüm und Feuer alles anpackte,
für die schwierigsten Posten sich anbot und in allen Sätteln sich rasch
zurechtfand. Als Sekretär des Bischofs, legte er Grund zu der prächtigen
Druckerei in Jaffna, die der Mission in der Folge so ausgezeichnete Dienste
leistete, als Pfarrer von St. Anna in Calpentyn brachte er diesen bei den
einheimischen Christen so gern besuchten Wallfahrtsort hoch. Hier traf den
35-jährigen 1879 die Ernennung zum Weihbischof wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Sofort wollte er nach Rom schreiben, um das Unglück von sich abzuwenden. Aber
ein schlimmes Geschwür an der Hand hinderte ihn, es selbst zu tun, und trotz
alles Bittens und Flehens gab sich kein Mitbruder dazu her. Er musste sich
fügen. (…)
Die
Pfarrkirche in Marseille, wo sein Taufstein stand, sah 1880 auch seine
Bischofsweihe. Das erste, was der Neugeweihte tat, war, dass er, durch ein
Seitenportal hinaustretend, der kranken Mutter, die von einem Fenster des nahen
Hauses aus, weinend der Feier gefolgt, den ersten bischöflichen Segen spendete.
Fassen wir
das 25-jährige bischöfliche Wirken Melizans kurz zusammen. Neben dem großen
Bischof Bonjean, dem Melizan zunächst als Apostol. Vikar von Jaffna (seit 1886)
und dann als Erzbischof von Colombo (1893) folgte, hat wohl keiner um die
Entwicklung der Mission auf Ceylon sich größere Verdienste erworben.
Beide Diözesen
(Jaffna und Colombo) gehören heute zu den bestorganisierten der Kirche
Vorderindiens. Die großen Erziehungsanstalten: das St. Patrick-Kolleg und das
Seminar St. Martin in Jaffna und das blühende St. Joseph-Kolleg in Colombo,
sind bleibend mit dem Namen Melizans verknüpft.
„Gestatten
Sie mir“, so sprach bei Gelegenheit des 25-jährigen Bischofsjubiläums (Januar
1905) der Apostol. Delegt Msgr. Zaleski vor den in Colombo versammelten
Bischöfen und Priestern, „Ihnen zu sagen, wie sehr unser Heiliger Vater, der
Papst (Pius X.), die Tatkraft, den Eifer, den Opfergeist und die Weisheit zu
schätzen weiß, die während eines Vierteljahrhunderts Ihr fruchtbares Apostolat
in den beiden Diözesen auszeichneten, die Gott Ihnen anvertraute. In beiden
sind Sie Ihrer großen Herde ein liebevoller Vater und das Muster eines guten
Hirten gewesen. Gewiss, Ihr erlauchter Vorgänger in Colombo hat die soliden
Fundamente gelegt, aber Ew. Gnaden haben die Mauern ausgeführt und das Gewölbe
gesetzt. Sie haben Colombo zu einer der schönsten Diözesen meiner Delegatur
gemacht.“
Darauf übergab der Delegat dem Jubilar das Apostol. Schreiben, das ihn
zum Römischen Grafen und päpstlichen Thronassistenten ernannte, die höchste
Auszeichnung, die der Papst einem Bischof gewähren kann.
Das
Jubiläum gestaltete sich zu einer großartigen Kundgebung der Verehrung und
Liebe, deren Melizan sich selbst über den Kreis seiner Herde hinaus in so hohem
Grade erfreute.
Niemand ahnte damals, dass der herrliche Festschmuck der hl.
Lucia-Kathedrale von Colombo bereits nach einem halben Jahr sich in das
Trauergewand der Witwe wandeln sollte.
Allein seit Jahren schon litt der
Erzbischof an den Folgen eines Sonnenstichs, den er sich einst zugezogen. Im
Mai reiste er nach Frankreich, um Heilung zu suchen. Dort rief ihn Gott am 27. Juni
aus der irdischen zur ewigen Heimat. Seine leiblichen Überreste wurden nach
Ceylon überführt und fanden in der Kathedrale von Colombo ihre Ruhestätte. Mit
Rücksicht auf den hohen Verstorbenen hatte der Statthalter diese ungewöhnliche
Vergünstigung erwirkt.
(Aus: die
katholischen Missionen, 1906)