Die
Unionsfrage ist durch den Artikel: „Gedanken zur Frage der Wiedervereinigung
beider Kirchen“, der in der neuen von griechischen Basilianermönchen von
Grottaferrata herausgegebenen Zeitschrift Roma
e l’Oriente erschien, wieder stark in den Vordergrund des Interesses
getreten.
Die dort gemachten Vorschläge, wie die getrennten Kirchen wieder
vereinigt werden können, sind verblüffend einfach. Sie laufen, kurz und klar
gesagt, auf Folgendes hinaus: Die römische Kirche verzichtet auf den Primat
über die Gesamtkirche und begnügt sich neben den selbständig regierenden
Patriarchen des Ostens mit einem gewissen Ehrenvorrang; sie verlangt von den
schismatischen Kirchen weder die Abschwörung jener Irrtümer, welche das Schisma
zum Teil mit herbeigeführt haben, noch auch die Annahme jener Glaubenslehren,
welche seit der Spaltung in der römischen Kirche definiert wurden, wie das
Dogma von der Unbefleckten Empfängnis und der päpstlichen Unfehlbarkeit.
Kurz,
die Union geschieht nicht durch Unterwerfung der orientalischen Kirchen unter
die eine, zentrale Lehr- und Hirtengewalt, sondern durch eine Art
Friedensschluss zwischen Ost und West mit offizieller Anerkennung der
beidseitigen Rechte. Dies alles ist in dem Aufsatz natürlich nicht so klar und
offen gesagt, ergibt sich aber aus den Aufstellungen des Verfassers mit
logischer Folgerichtigkeit.
Der Schmerz über die unselige Trennung, das
Verlangen, den traurigen Riss zu heilen und eine allzu große, fast
leidenschaftliche Liebe zum Orient hat hier ein edles Priesterherz seltsam
berückt und seinen ruhigen, klaren Blick in fast unbegreiflicher Weise getrübt.
Es ist
klar, dass Rom zu solchen Auslassungen, die, so gut sie gemeint sind, nur dazu
dienen können, die Schismatiker in ihren Irrtümern und ihrer Hartnäckigkeit zu
bestärken, unmöglich schweigen konnte, und so richtete Papst Pius X. am 26.
Dezember 1910 ein Apostolisches Rundschreiben (Ex Quo, Link hier, leider nur
Latein; S. 117-121 der PDF) an alle Apostol. Delegaten im Osten (einschließlich Indiens mit seinen
syromalabarischen Katholiken und jakobitischen Schismatikern), das an
Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ.
Er weißt die in jenem Artikel
aufgestellten Behauptungen und zahlreichen dogmatischen wie historischen
Irrtümer mit Würde und aller Entschiedenheit zurück. Die Wiedervereinigung der Kirchen,
das ist kurz der Inhalt, war stets und ist der innigste Herzenswunsch der
Päpste, aber sie kann nur geschehen auf Grund der wahren, unverfälschten,
unteilbaren, auf Schrift und Tradition beruhenden Kirchenlehre.
Durch Preisgabe
von Offenbarungslehren und göttlich verbrieften Rechten kann und darf die
Vereinigung der Kirchen, so wünschenswert sie auch ist, niemals erkauft werden.
(…)
(Aus: die
katholischen Missionen, 1911)