(…) Das ganze Leben des göttlichen Heilands fasst der
Evangelist in die Worte zusammen: „Er wandelte dahin, indem er Gutes tat“ (Apg.
10,38). Der göttliche Heiland spendete Segen und linderte Not mannigfacher Art.
Er war ein Arzt für Leib und Seele; er war der Seligmacher; er war, wie die
begeisterte Volksmenge von ihm sagte, „wahrhaftig der Prophet, der in die Welt
kommen sollte.“
Christi Leben und Wirken wird fortgesetzt durch das
Christentum, durch die heilige Kirche. Auch sie wandelt durch die Zeiten und
Völker, indem sie Gutes tut und die Not lindert, die sie an Leib und Seele der
großen Volksmenge findet. Ohne Zweifel ist die Seelenrettung, das Reich Gottes,
das Allererste und Allernotwendigste, was die Kirche anstreben muss. Sie ist sich
des Wortes ihres Stifters bewusst: „Suchet nur zuerst das Reich Gottes und
seine Gerechtigkeit“ (Mt. 6, 33); aber sie sucht dieses Reich und lehrt suchen
mit der Anspannung aller Kräfte und Fähigkeiten. Deshalb fördert die Kirche
auch das zeitliche Wohl des Volkes und jedes einzelnen, befördert sie Bildung,
Kunst und Wissenschaft und wird sie ein Faktor des Fortschrittes in allem dem,
was wir Kultur und Zivilisation nennen. Durch ihre Arbeit auf dem sozialen und
kulturellen Gebiet lindert die Kirche die vielfache Not, löst sie die Not- und
Brotfrage der menschlichen Gesellschaft.
Was nun die Kirche der Vergangenheit gewesen ist, das wird
sie auch unserer Zeit und ihrer Not sein, und das wird sie auch sein der
Heidenwelt durch die Missionstätigkeit. Wie einst der göttliche Heiland zu
seinen Aposteln, so spricht die Kirche zu ihren Missionären das Wort der Brotversorgung:
„Lasset das Volk sich setzen!“ Lasset das Volk, das unstet, ziellos und
zuchtlos umhergeirrt ist, sesshaft werden, sich ansiedeln und anbauen!
Unterweiset es in den Handwerken und Künsten; gebt ihm zu essen (vgl. Mt. 14,
16)! Veredelt sein Herz und seine Lebensweise durch Erziehung und Unterricht!
Gebt seinem Denken und Fühlen, seinem Wünschen und Wollen, seinem Tun und Lassen
höhere Motive und höhere Ziele! – Und die Mission begibt sich ans Werk. Das
kleine Opfer, die geringe Gabe wird in ihren Händen durch Gottes Seen ein
wunderbarer Überfluss für die Völker. (…)
(Aus: Robert Streit O.M.I.: Missionspredigten, Herder, 1913)