Pater Joseph Fräßle S.C.J. berichtet über seine Mission im Kongo:
Der Negerdank, wo er ihrem Empfinden entspricht, bricht sich
spontan durch. Als ich mit P. Wulfers einmal dessen ehemalige Mission Romee
durchfuhr, kamen die Eingeborenen, sobald sie ihren alten Missionär erblickten,
in hundert Kanus ans Schiff herangefahren, holten ihn herunter, führten ihn ins
Dorf und trugen ihn über eine tausendköpfige, jauchzende Menge die Straße
hinauf bis ans Ende der Ortschaft, und alles Volk schrie: „Unser Vater ist er
und unser Lehrer, der beste Mensch, den die Erde trägt!“ Ein Baumkahn brachte
ihn dann dem vorbeifahrenden Schiffe nach, während alles Volk am Ufer noch
lange rief: „Du musst zu uns zurückkehren! Wir sind dein Volk!“
Ein über siebzig Jahre alter Mann ließ sich von seinen
Enkeln vier Tage weit durch den Wald zu mir tragen:
„Ich habe gehört, du gehest zu deinen Brüdern heim“, sagte
er zu mir. „Diese böse Botschaft ließ mir keine Ruhe: ich muss dich noch einmal
sehen und dein Bild tief in mein Herz eingraben, damit ich es nie vergesse;
denn du bist der Vater meiner Seele.“
Drei volle Tage saß nun der alte Mann auf dem Boden in
meiner Empfangshalle und beobachtete mich, ohne mich aus dem Auge zu verlieren
– seine Enkel sorgten ihm derweilen für Nahrung. Dann aber stand er auf, nahm
meine Hand, drückte sie innig und lange, wie ich es nie erfahren hatte, schaute
mir tief ins Auge und sprach:
„Du hast meiner Seele Gutes getan. Durch dich bin
ich Gottes Kind geworden. Das sollst du in Europa deinen Brüdern sagen und
deiner Mutter und sie alle von mir grüßen. Wenn du aber wieder kommst, bring
mir ein Kreuzlein mit, dass ich es anschaue, wenn ich bete, und sterbend es in
Händen halte.“
(Aus:
Fräßle, Joseph: Negerpsyche, Herder, Freiburg, 1926)
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