Die Hirtensorge und Hirtenliebe des göttlichen Heilandes, andächtige Christen, muss auch in unseren Herzen leben. Christi Geist muss
unser Geist, Christi Herz unser Herz sein. In der Sorge für das Missionswerk
teilen wir die Hirtensorge des göttlichen Herzens.
Ach, wie viele gute Seelen haben noch keine Ahnung von den
Hirtensorgen des Missionswerkes! Willst du sie kennen lernen und dir
Hirtenliebe ins Herz lesen, dann greife zu den Missionsberichten und
Missionszeitschriften. Sie erzählen dir ausführlich und oft in erschütternder
Weise von den schweren Sorgen der Missionäre. Zwischen dem Suchen und dem
Finden des verirrten Schäfleins liegt ein weiter Weg, und die Hirtenfreude muss
oft um schwere Opfer erkauft werden.
Der Missionär muss zunächst die Spur des
verirrten Schäfleins aufsuchen und durch eifriges Studium der religiösen Sitten
und Anschauungen seiner Umgebung aufmerksam den Weg verfolgen, den das
verlorene Schaf gegangen ist. Und durch welche Sümpfe, über welche Klippen, in
welche Dornen und Hecken führt zuweilen dieser Weg! Dann beginnt der mühsame
Hirtengang. Der suchende Missionär muss unermüdlich gehen und wandern; er darf
sich nicht kümmern um Regen und Sonnenschein, nicht kümmern um Hunger und
Durst, nicht kümmern um den brennenden Sand unter seinen Füßen und die
brennende Hitze über seinem Haupte. Eingedenk muss er sein des guten Hirten,
der sein Leben hingibt für seine Schafe. Beim Anblick solcher Hirtenarbeit wird
auch in unser Herz, andächtige Christen, etwas von der Hirtenliebe des heiligen
Missionswerks kommen. Durch unser Missionsgebet und unser Missionsopfer werden
auch wir suchende und rettende Hirten der Heiden sein. Mit dem göttlichen
Heiland werden wir die Hirtensorge teilen, mit ihm werden wir aber auch in
Freuden das Wiedergefundene heimtragen. Seine Hirtenfreude wird auch unsere
Freude sein. (…)
O seliges Hirtenglück, wenn zu den Füßen des Missionärs der
neubekehrte Heide kniet! O heilige Hirtenfreude, wenn der Missionär das so
lange gesuchte Schäflein gefunden und nun über die Stirne das Wasser der heiligen
Taufe gießen, das Brot des ewigen Lebens ihm reichen kann! Die Rettung des
Schäfleins wird als eigenes Glück empfunden. In diesen Augenblicken sind alle
Hirtensorgen reichlich, überreichlich belohnt. (…)
Wir wollen betend unsere Hände zu dem göttlichen
Hirtenherzen Jesu aufheben und es bitten, unser Herz dem seinigen immer
gleichförmiger zu machen in der Liebe zu dem verlorenen Schäflein der
Heidenwelt. Die Gefühle wahrer Hirtenliebe mögen auch unser Herz beseelen. Und
diese Liebe wird uns stark machen, tätigen Anteil zu nehmen an der großen
Missionssorge, die auf unserer heiligen Kirche lastet. Ihre Missionsfreude wird
auch unsere Freude, ihr Missionserfolg auch unser Erfolg sein, und am Tage der
Ewigkeit, wenn das letzte Schäflein aus der Heidenwelt heimgebracht ist, dann
wird der göttliche Hirt uns als seine Freunde zusammenrufen, und für die ganze
Ewigkeit wird seine liebreiche Aufforderung gelten: „Freuet euch mit mir!“ Amen.
(Aus: Robert Streit O.M.I.: Missionspredigten, Herder, 1913)
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