In
dem großen Missionsgebiet der rheinisch-westfälischen Kapuzinerprovinz auf den
ehemaligen deutschen Südsee-Inseln hatte man 1912 auch mit der Missionierung
der Truk-Inselgruppe begonnen. Lange hatten dort die eingeborenen Insulaner auf
die erbetenen Missionäre warten müssen. Als die Ersehnten endlich das
Inselreich von Truk betraten, wurden sie mit großer Freude und Begeisterung von
den braunen Kanaken [= Südsee-Insulaner; früher nicht abwertend] aufgenommen.
Schon nach kurzer Tätigkeit konnten die Kapuziner einen recht erfreulichen
Zudrang zum Christentum feststellen. Die Zahl der Taufen belief sich in wenigen
Jahren auf zweitausend. Eine eifrige Katechumenenschar ließ auf weitere Erfolge
hoffen.
Da
brach unerwartet wie ein Gewitter der unheilvolle Weltkrieg über die junge
Missionspflanzung herein und mit ihm die Besetzung der Inseln durch Japan.
Anfangs durfte die Mission zwar ungestört weiterarbeiten, aber zu bald wurde
ein Teil der Missionäre durch die japanischen „Eroberer“ gewaltsam aus ihrer
segensreichen Wirksamkeit herausgerissen, angeblich aus „militärischen
Gründen“. Die letzten Missionäre, P. Siegbert und P. Lorenz, denen es vergönnt
war, bis zum Kriegsende unter ihren braunen Christen zu bleiben, mussten 1919
ebenfalls ihre liebgewonnene Herde verlassen.
Weinend
und betrübten Herzens sahen die verlassenen Neuchristen dem Schiffe nach, das
ihre treuen Seelenhirten für immer von dannen führte. Jetzt haben sie nichts
mehr als den Trost ihres christlichen Glaubens und das Heimweh nach den
Missionären.
Im
Kapuzinerkloster zu Krefeld traf Anfang Juli 1921, also zwei Jahre nach der
Ausweisung, ein Brief ein vom 25-jährigen Sohn des katholischen Oberhirten der
Insel Toloas. Aus den schlichten Zeilen dieses Insulaners ersieht man deutlich,
wie innig das Verhältnis zwischen den Kapuzinern und den braunen Trukbewohnern
gewesen war.
Der
Brief heißt in der Übersetzung:
„8.
Mai 1921. Guten Tag, mein Vater P. Siegbert, von einem Deiner Söhne, der Dich
liebt und Otto heißt.
Zunächst
kann ich Dir von Deinen Christen auf Toloas berichten, dass sie seit Eurem
Abschied bis auf den heutigen Tag treu ausgehalten haben. Aber ich möchte
nichts anderes sagen, als dass ich voller Qual bin, weil ich Euch nicht mehr
sehe. Ich bitte daher, lass Eure Photographien machen und sende mir dieselben
her, damit ich Euer Antlitz wieder sehe und mein Herz wieder aufatme. Ich bin
ganz elend vor Heimweh nach Euch, ich und Margareth (seine Frau) und Kamilla
(seine Mutter) und Luzia (sein Töchterchen) und alle Deine Christen. Ich teile
Dir mit, dass Kamillus (sein Vater) leider gestorben ist. Er ist gestorben am
8. Oktober. Darüber bin ich noch sehr in Trauer.
Mein
Gruß auch an alle Patres, die in Truk gewesen sind und an alle Brüder. Wie geht
es Euch? Was mich betrifft, so war ich gesund, all die Zeit; denn ich pflege zu
Gott zu beten, dass ich gesund bleibe.
Unsere
Christengemeinde hat sehr zugenommen; denn ich habe mir viele Mühe gegeben, die
Heiden zu gewinnen. Jetzt hat sich der katholische Glaube sehr ausgebreitet auf
Toloas. Bete doch für mich, dass ich gesund und am Leben bleibe, damit wir noch
einmal zusammenkommen. Alle Tage nennt Luzia Deinen Namen. O könnte ich doch
Euer Antlitz wiedersehen! Dann würde mein Herz aufatmen. O könnte doch mein Ohr
ein Wort von Dir vernehmen, lieber P. Siegbert!
Ja
wahrlich, ich bin voll Elend in meinem Herzen. Schicket doch Eure Photographien
an mich, damit ich Euch vor Augen habe. Das ist der Brief von Tasol (Name
seines Bezirkes).
Wir
Christen haben alle geweint wegen deines Briefes, den die Patres (spanische
Jesuiten) in der Kirche vorgelesen haben. Die Messe ist völlig gestört worden
durch das Weinen.
An
Weihnachten habe ich einige Heiden getauft und es bereiten sich gegenwärtig
viele auf die Taufe vor. O könnte ich doch wieder Deiner Messe beiwohnen und
Deine Predigt hören.
Ich
schließe meine Rede in Liebe und unter Tränen, die aus meinem Herzen fließen
immerdar.
Dein
Otto. Lebe wohl! “
Man
kann sich denken, mit welcher freudiger Rührung die verbannten Missionäre
diesen kindlich dankbaren Gruß ihrer verlassenen Schäflein aufnahmen. Gerne
wären die Südseemissionäre, denen selbst ein schmerzliches Heimweh nach ihren
braunen Christen im Herzen brannte, wieder hinausgefahren in die Südsee. Aber
eine weltliche Macht litt es nicht mehr, dass deutsche Missionäre weiterhin auf
den südlichen Eilanden das Gottesreich des Friedens und der Liebe ausbreiten.
(Aus:
Seraphisches Weltapostolat des heiligen Franz von Assisi, 1926)