(Quelle: Virgendelosremedios) |
Im Nordwesten Sri Lankas, etwa 150 km südlich von
Jaffna, liegt der Marienwallfahrtsort Madhu. Die Region ist seit dem Beginn der
portugiesischen Herrschaft über Sri Lanka im 16. Jahrhundert stark
katholisch geprägt. In dieser Gegend war der heilige Franz Xaver selbst als
Missionar tätig gewesen. In Mantai, einem alten Umschlagsplatz an der Küste, baute
man im 17. Jahrhundert eine Kirche, in der ein Bild der allerseligsten
Jungfrau verehrt wurde.
Die Verfolgung der katholischen Religion durch die
calvinischen Niederländer, die ab 1658 über die Insel herrschten, veranlasste eine
Gruppe von Gläubigen aus 20 Familien dazu, im Jahr 1670 mit dem Gnadenbild ca.
40 km ins Landesinnere in den unwegsamen Urwald zu flüchten, um dort eine
neue Kirche zu errichten. An diesem Ort soll auch der heilige Joseph Vaz, der
„Apostel Ceylons“, gewirkt haben. Die Gründung ging durch das Auftreten von
Seuchen nach einiger Zeit zu Grunde. Als jedoch unter der britischen Herrschaft
die religiöse Duldung wieder Einzug hielt, begab sich im Jahr 1872 der
Apostolische Vikar Jaffnas, Msgr. Bonjean aus der Gemeinschaft der Oblaten der
unbefleckten Jungfrau Maria, daran, eine neue Wallfahrtskirche zu bauen, die
Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz gewidmet ist. Aufgrund der Abgelegenheit
wurde die Kirche erst unter Bonjeans zweitem Nachfolger Henri Joulain fertiggestellt.[1]
Der 60 Meter lange neobarocke Bau konnte mit den Spenden einheimischer
Katholiken errichtet werden. Die dort verehrte Marienstatue ist eine Madonna im
europäischen Stil mit dem Jesuskind auf dem Arm, das als Zeichen seiner
Königswürde nach singhalesischer Tradition einen Sonnenschirm hält. Die Statue samt
Kind ist vollständig in einen weiten Mantel gehüllt, der meist weiß oder blau
ist; die Kleider der Statue werden gelegentlich gewechselt. Sie hat ihren
Platz im einfachen neugotischen
Holzaltar.
Ähnlich wie die beiden wichtigsten chinesischen
Marienwallfahrtsorte ist auch Madhu bedeutend gewachsen. Waren es am zum Ende
des 19. Jahrhunderts 12.000 Pilger, die am Hauptwallfahrtstag, dem Fest
Mariä Heimsuchung am 2. Juli, zu Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz pilgerten,
wurden es 1924 ca. 150.000. Anlass für die große Zahl der Pilger in jenem Jahr
war die Krönung der Madonna durch Erzbischof Coudert von Colombo im Beisein der
übrigen Bischöfe Sri Lankas.[2]
Ein anschauliches Bild der Wallfahrt zu dieser Zeit zeichnet der Oblatenpater
Duchaussois, der berichtet, „dass in diesem Dschungel-Wallfahrtsort, wo ein aus
der portugiesischen Zeit stammendes Marienbild (Mutter und Kind, letzteres mit
Krone und Sonnenschirm, dem Zeichen der Königswürde) verehrt wird, in der
Hauptwallfahrtszeit 30–40 Priester an einfachsten Beichtgittern im Freien 9
Tage lang bis in die Nacht hinein Beicht hören, während die Hälfte der Pilger
zu ihrem Schmerz ohne Sakramentenempfang heimkehren muss, weil eben nicht genug
Priester zur Verfügung stehen. Und dabei kommen die Leute von den Enden Ceylons
und sogar vom indischen Festland in langer, beschwerlicher Reise! Neben den
großen Predigten für die Pilgermassen finden unter schattigen Bäumen zwanglose
Aussprachezirkel statt, in denen von Missionaren vor der lauschenden Menge die
Glaubenswahrheiten gegen einen bestellten ‚Gegner‘ (meist einen christlichen
Eingeborenen, der die heidnischen Anschauungen vertritt) verteidigt werden.
Tagelang sind in dieser Zeit die nach Madhu führenden Straßen in Staub gehüllt.
In dieser Staubwolke bewegen sich endlose Kolonnen von Ochsenkarren mit Pilgern
und Massen von Fußgängern aller südindischen und ceylonesischen Rassen dem
Wallfahrtsziele zu.
Auch Brahmanen und Buddhisten finden sich ein, aus
Neugierde oder Glaubenssehnucht, die oft zur Glaubensbereitschaft wird. Madhu
weist jährlich zahlreiche Konversionen auf. Die Massen haben keine Hotels. Das
Hotel der Nomadenstadt ist der Dschungel. Die meist armen Leute – Madhu sieht
jährlich nur 2000 Reiche – wohnen in Laubzelten. Jede Familie bildet aus dünnem
Zweigwerk in Ellbogenhöhe einen Zaun um den gewählten Ruheplatz. (…) Arm und
reich schläft nebeneinander, der Kastenstolze neben dem Paria. Das Auto steht
neben dem Ochsenkarren. Vom Heiligtum Mariens in der großen Dschungelkirche,
deren Holzsäulen Elefanten aus 10 km Entfernung herbeischleppten, strahlt jener
Friede und Brudersinn aus, den die Gesellschaft des Mittleren Orients so sehr
entbehrt.“[3]
Inneres der Wallfahrtskirche (Quelle: lakpuratravels)
Im Jahr 1944 weihte der Bischof von Jaffna, Msgr.
Alfred Guyomar O.M.I., die Kirche unter dem Beisein einer großen Volksmenge. In
den Nachkriegsjahren wurde die Statue Unserer Liebe Frau von Madhu zur Pilgermadonna, die in
allen Pfarreien der Diözese Jaffna zur Verehrung der Gläubigen ausgestellt
wurde, zunächst 1948 und dann 1974, dem von Papst Paul VI. ausgerufenen
„Jahr der Versöhnung“. Im Jahr 2001 riefen die Gläubigen die Pilgermadonna besonders für den
Frieden auf Sri Lanka an, da sich das Land durch den Konflikt zwischen
Tamilen und Singhalesen im Bürgerkrieg befand. Dieser Krieg ging am
Wallfahrtsort Madhu nicht spurlos vorüber; wie viele Gebiete des Nordens war
auch der Distrikt Mannar, in dem Madhu liegt, eine der Hochburgen der Liberation
Tigers of Tamil-Eelam (LTTE), einer bewaffneten separatistischen
Gruppierung, die seit 1983 für einen unabhängigen Tamilenstaat auf der Insel kämpfte.
In den 1990er Jahren bot der Wallfahrtsort 36.000 Binnenflüchtlingen Schutz und
wurde von den Kriegsparteien als entmilitarisierter Bereich betrachtet, kam
allerdings am 20. November 1999 unter Artilleriebeschuss – vermutlich durch die
Regierungstruppen –, wobei 33 Flüchtlinge in der Herz-Jesu-Kapelle getötet
wurden.[4]
Als die singhalesischen Regierungstruppen 2008 eine großangelegte Offensive
gegen die LTTE durchführte, in deren Rahmen die Rebellen militärisch besiegt
wurden, kam es um Madhu erneut zu Kampfhandlungen, und die Statue der Madonna
musste an einen sicheren Ort gebracht werden. Sri Lankas Bischöfe setzten
sich in einem gemeinsamen Schreiben vom 23. April 2008 für ein Ende der Kämpfe
rund um Madhu ein.[5]
Der Bürgerkrieg endete im Mai 2009 mit der
Niederlage der LTTE und der Einnahme der Tamilengebiete durch die
Regierungstruppen; im selben Jahr fanden sich zum Fest Mariä Himmelfahrt nach
einigen Angaben bis zu einer halben Million Pilger ein.[6]
Auf seiner Reise nach Sri Lanka im Januar 2015 besuchte Papst Franziskus Madhu, wo er im Kontext des Bürgerkriegs und des damit verbundenen Leids darauf hinwies, dass die Mutter Gottes den Mördern ihres Sohnes unter dem Kreuz verzieh und darum auch Sri Lanka auf den Weg zu mehr Versöhnung führen würde. Der Papst legte der Statue einen Rosenkranz um den Hals und hob sie zum Segen über die 300.000 Teilnehmer des päpstlichen Besuchs in Madhu.[7]
[1]
Deslandes O.M.I.: U.L. Frau von Madu, ein Wallfahrtsort auf Ceylon. In: Die
katholischen Missionen, Herdersche Verlagsbuchhandlung, Freiburg 1907
[2]
Nachrichten über Indien und Ceylon. In: Die katholischen Missionen,
Xaverius-Verlagsbuchhandlung, Aachen 1925
[3]
Peters, Joseph: : Maria, seliggepriesen von allen Völkern. a.a.O.
[4]
https://www.tamilguardian.com/content/our-lady-madhu-refugee-her-own-land-bishop
[5]
https://omiusajpic.org/wp-content/uploads/2008/06/bishops-demand-ltte-quit-madhu-shrine.pdf
[6]
https://udayton.edu/imri/mary/o/our-lady-of-madhu.php
[7]
https://www.catholicregister.org/home/international/item/19535-in-madhu-pope-tells-sri-lankans-reconciliation-requires-repentance