Dieses Jahr jährt sich zum Fest Allerheiligen die Ermordung
der ersten Märtyrer der Gesellschaft des göttlichen Wortes, P. Franz Xaver Nies
und P. Richard Henle, zum 125. Mal. Die Folgen ihres Todes reichten weit
über die Grenzen der Mission der S.V.D. in Südschantung hinaus und machten die
Mordtat zu einem der bedeutendsten Ereignisse in der jüngeren Geschichte
Chinas.
Werdegang der
Patres Nies und Henle
Pater Franz Xaver Nies wurde am 11. Juni 1859 in
Rehringhausen, heute Ortsteil von Olpe, geboren und trat 1879 in Steyl ein. Kurz nach seiner Priesterweihe im Jahr 1885 reiste er in die Mission nach
Südschantung, wo er sich durch seine stille, demütige und fromme Art
auszeichnete. Besondere Liebe zeigte er zum allerheiligsten Sakrament des
Altares. So schrieb er am 15. September 1890 von einer Missionsstation: „Ich
werde hier den Oktobermonat zubringen, weil ich das Allerheiligste hier
aufbewahren kann. Zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich das Glück habe, den
lieben Heiland Tag und Nacht in meiner Obhut zu haben. Ob es Ihm aber bei mir
gefällt, weiß ich nicht. Ich will übrigens gerne alles tun, um Ihm Freude zu
machen.“ Im Jahr 1892 erlitt er auf einer Reise eine schwere Armverletzung, die
ihn über zwei Monate dienstunfähig machte und bleibende Schäden hinterließ. Kurz
vor seiner Ermordung entging er knapp einem Anschlag auf sein Leben.
P. Nies hatte bereits früh um die Gnade des Martyriums gebetet, sah sich
aber vor Gott als unwürdig an.
Pater Richard Henle wurde am 21. Juli 1865 in Stetten bei
Haigerloch geboren und galt bereits als Kind als sehr gewissenhaft in
religiösen Dingen. Als 14-jähriger wurde er durch die Steyler Kinderzeitschrift
„Schutzengel“ auf Arnold Janssens Gründung aufmerksam und trat im Jahr 1880
dort ein. Im Juni 1889 wurde er vom späteren Kölner Kardinal Anton Fischer zum
Priester geweiht und zog drei Monate später, am 15. September, nach China aus.
„Wie glücklich bin ich in China! Es ist ein schönes Leben, so als Missionar zu
arbeiten. Ich bin stets wohl und gesund. Stets bin ich zu Pferde, heute da,
morgen dort.“ So schrieb er nach Hause. Was das einzige Kind seinen betagten
Eltern auch später nicht schrieb, waren die vielen Gefahren, denen er
ausgesetzt war, sowohl durch die fremdenfeindlichen Einheimischen als auch
durch Krankheiten oder sonstige Umstände des Missionslebens. Sein Mitbruder,
der spätere Bischof Augustin Henninghaus, schrieb über ihn nach seinem Tod: „P.
Henle war eine so liebenswürdige, edle Seele, wie man sie nur selten trifft.
Welche Liebe er mir damals erwiesen, werde ich nie vergessen. Wenn ich auf
Reisen gehen musste, ging er Stunden weit mit, nur um mir eine Freude zu
machen, und wenn er die Zeit meiner Ankunft wusste, so kam er mir Stunden weit
entgegen. (…) Das letzte Mal sah ich meinen alten Freund bei Gelegenheit des bischöflichen
Namensfestes. Er kam, nachdem er schon einmal Abschied genommen, noch einmal zu
mir, um mir zum letzten Mal die Hand zu drücken. Ich war schon am Brevierbeten.
Er reichte mir die Hand und sah mich dabei so lange und eindringlich an, als
hätte er etwas auf dem Herzen. Es wurde mir dabei, ich weiß nicht warum, so
eigen zu Mute, dass ich den Eindruck den ganzen Abend nicht verwinden konnte.“
Die Tat
Pater Henle wurde vor Allerheiligen 1897 von seinem Untergebenen,
Pater Georg Stenz, um einen Besuch auf dessen Missionsstation Zhang Jia
(„Tschandtjadschuang“ in alten Schriften der S.V.D.) gebeten. Henle und Nies kamen
und die drei übten am Abend des Allerheiligenfestes noch das Requiemamt ein,
bevor sie gegen 22 Uhr zu Bett gingen. P. Stenz hatte seinen Gästen sein Zimmer
überlassen und schlief im Pförtnerzimmer, was ihm das Leben retten sollte. „Plötzlich
stürmen“, so P. Erlemann in einem Brief, „zwanzig und mehr Kerle über die
niedrige Hofmauer aus Lehm, verteilen ihre Posten und suchen in die
Priesterwohnung einzudringen. Als aber die Türe nicht nachgab, stießen die
Unholde die Fenster ein und fielen dann in beispielloser Wut die beiden Herren
mit Messern an, ohne vorher (wegen der Herausgabe des Geldes) Unterhandlungen
anzufangen, wie es bei Raubanfällen immer geschieht. Herr Nies, der sehr
kräftig war und sich wohl gehörig zur Wehr setzte, erhielt dann im Nu zehn und
mehr sehr tiefe Messerwunden (…) Als Herr Henle den Herrn Nies so angefallen
sah, rief er laut: ‚O, tötet doch nicht‘, und eilte auf ihn zu, und nun erhält
auch er eine Anzahl tödliche Stiche in Brust und Unterleib; er greift dann wohl
nach dem Messer, und es werden ihm beim Zurückziehen desselben Fast alle Finger
der beiden Hände durchschnitten. Dann sinken sie beide übereinander hin und aus
beider Wunden bildete sich um sieh eine große, schreckliche Blutlache. Die
Unmenschen hatten ihr Werk vollbracht; sie rafften in Eile, was ihnen in die
Hände fiel, zusammen und machten sich im Dunkel der Nacht davon. Das Ganze hat,
wie Herr Stenz erzählt, nur die Zeit von etwa 10 Minuten gedauert. Herr Stenz
beeilte sich, aus seinem Versteck zu kommen, und nun sah er das Greuliche, was
geschehen war; schnell absolvierte er beide und erteilte ihnen die hl. Ölung,
wobei Herr Henle ihm noch freundlich zunickte. Herr Nies gab weniger bestimmte
Lebenszeichen. Herr Henle lebte dann noch annähernd 10 Minuten und lag noch
lange wie lebend mit einem entschlossenen und ruhigen Ausdruck da. Herr Nies
aber, der an der Brust sehr tiefe Wunden hatte, behielt auch im Tode noch den
Ausdruck des Schmerzes, den ihm diese Wunden aufgedrückt.“
Der Mordanschlag galt eigentlich dem „Langbart“, wie die
Mörder P. Stenz nannten, als sie erkannten, dass ihre beiden Opfer fremde
Priester waren. P. Stenz war schon früher nur knapp einem Mordversuch
entgangen.
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