Der Petersdom bei Nacht (Eugene Pivovarov) |
„Alle ägyptischen Ungeheuer haben ihre Tempel in Rom“, heißt es in einer französischen Tragödie. An diese Worte wird man erinnert, wenn man den Eifer sieht, womit heute wieder jede Sekte und jedes Sektlein sich ihren Tempel in Rom zu gewinnen suchen, als sei mit solchem Fußfassen auf dem Mutterboden des Katholizismus ein besonderer Triumph erreicht, eine Siegesfahne aufgepflanzt.
Die Freimauerer haben eben feierlich ihren „Tempel“ eröffnet; die Methodisten sind eifrig bestrebt, den ihrigen zu vollenden; die Waldenser bilden längst ein konstituierte Gemeinde mit einer Kapelle, und jetzt wird eine Pilgerschaar von 80 Engländern angekündigt, die kommen, um als Deputierte baptistischer Gemeinden der Einweihung einer baptistischen Kirche an der Piazza von San Lorenzo beizuwohnen!
Die Anglikaner haben ihre Kirche längst vor der Porta del Popolo; in einer der neuen Straßen auf dem Biminal wird eifrig an einer ziemlich geschmacklos im gotischen Stil aufgebauten kleinen Kirche, für weiß welch wunderliche Sekte, geschafft und gezimmert — und bei all dem begreift man weder die Notwendigkeit solcher Stiftungen von Gemeinden ohne Gemeindemitglieder, noch die Zweckmäßigkeit, dem katholischen Rom auf diese Weise die grenzlose Zersplitterung des Protestantismus zu exemplifizieren“.
So schreibt nicht die Germania oder ein anderes ultramontanes Blatt, sondern die Augsburger Allgemeine (Beilage vom 24. März 1875, S. 1292 Anmerkung: diese Zeitung hatte scheinbar im 19. Jhd. einen liberalen Ruf).
Gemeinden ohne Gemeindeglieder und Beweise für die grenzenlose Zersplitterung des Protestantismus — das sind die Früchte der protestantischen Mission in Rom und anderwärts; dafür geben die gutmütigen, von ihren Predigern aufs Schmählichste belogenen amerikanischen und englischen Protestanten ihre Dollars und Schillings.
Alles (außer der Anmerkung) aus: die katholischen
Missionen, 1875
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