„Wir hatten“, so schreibt P. Otto Weishaupt S.J., „wieder in allen drei
Missionen (Sangammer, Wallan, Kendal) in einer ganzen Reihe von Dörfern die
Pest.
Bei dieser Gelegenheit gab einer meiner jungen Katechisten ein herrliches
Beispiel der Selbstaufopferung, ähnlich wie vor einem Jahre der hochw. P.
Gerhard Kipp.
Als die Pest auch in Rui, einem Dorf von 52 Einwohnern,
ausgebrochen war, sagte ich dem dort stationierten jungen Katechisten, falls er
Furcht habe, dürfe er für einige Zeit in seine Heimat gehen. Denn wir können
und mögen nicht unsere Untergebenen zu heroischen Opfern zwingen.
Aber der
junge Mann erklärte ganz entschlossen: ‚Nein, Pater, ich gehe nicht; denn ich
kann so ja mit den kranken Christen täglich die Gebete verrichten und auch, so
Gott will, manchen sterbenden Heiden taufen.‘
So blieb er denn aus freien Stücken; nur seine junge Frau und die
bejahrten Eltern hatte er heimgeschickt. Da gleich bei Ausbruch der Seuche alle
Leute das Dorf verlassen hatten und in den umliegenden Feldern lagerten,
errichtete sich mein Katechist aus Stroh eine notdürftige Hütte kaum zwanzig Schritte
von den Pestkranken entfernt.
Heiden und Christen sprechen jetzt noch voll
Bewunderung von dem Eifer und der Aufopferung, mit welcher Petrus Zivon, so
hieß der Katechist, die Kranken pflegte und mit ihnen wiederholt im Tag betete
und die Sterbenden, Heiden wie Christen, zu einem frommen Tod vorbereitete.
Mehrere Heiden wurden in der elften Stunde von ihm getauft.
Trotzdem die Leute
nun schon seit drei Wochen auf den offenen Feldern kampierten, griff die Pest
immer mehr um sich. Eines Tages starb ein alleinstehender Heide, den Petrus
Zivon ebenfalls gepflegt und zum Tod vorbereitet hatte. Niemand wollte den armen
Mann beerdigen. Da nahm schließlich Petrus Zivon die schwere Leiche selbst auf seine
Arme und trug sie ganz allein zur fernen Begräbnisstätte; dort grub er zuerst
ein Grab und legten dann den Ärmsten der Armen zur letzten Ruhe.
Bei dieser Gelegenheit
musste sich der Katechist wohl die Ansteckung geholt haben.
Als ich nach
einigen Tagen wieder die Pestkranken jenes Dorfes besuchen wollte, fiel es mir
auf, dass der Katechist nicht schon von weitem mir entgegeneilte, wie er es zu
tun gewohnt war. Sofort sagte ich meinem Kutscher: ‚Ich fürchte, Petrus ist
selbst an der Pest krank.‘ So war es auch. Ich fand ihn in seiner elenden
Strohhütte auf dem Boden liegen; er zeigte mir seine Pestbeule und sagte: ‚Gestern
Abend fühlte ich mich unwohl; in dieser Nacht entstand die Beule! Gott sei es gedankt,
dass Sie kommen.‘ Mit großer Entschlossenheit und Ruhe machte er seine letzte
Beicht und empfing die Sterbesakramente. Voll Ergebung brachte er dem Heiland
sein junges Leben zum Opfer. Besonders fühlte er sich getröstet, als ich ihm
sagte: ‚Danke dem Heiland, dass du ähnlich wie im letzten Jahr P. Kipp jetzt
ein Märtyrer der Nächstenliebe geworden bist. Ich bin sicher, dass in diesem
Augenblick P. Kipp dir nahe ist und für dich im Himmel einen herrlichen Platz
bereitet hat.‘
Schon am dritten Tag starb Petrus. Ich hatte sofort zu Pferd
einen Eilboten an seine Frau und Eltern geschickt. Aber da sie über 40 Meilen
entfernt waren, kamen sie erst an, als das Grab über dem Verstorbenen sich
geschlossen hatte.
Petrus war 21 Jahre alt; vor sechs Jahren war er getauft
worden; vor drei Jahren heiratete er und wurde versuchsweise als Katechist
angestellt. (…) Der Verlust tat mir leid, aber solch ein heroisches Opfer muss
doch auch Gottes Segen auf unsere Mission herabziehen. R.I.P.“
(Aus: die katholischen Missionen, 1905)