Vaterunser auf Latein |
Einen
zweiten Beweis für die Tatsache, dass auch die Laien durch die Gottesliebe verpflichtet
sind, Missionsarbeit zu leisten, bietet das Vaterunser.
Das „Vaterunser“
ist ein Gebet von unerschöpflichem Inhalt. Jeder Mensch findet für jede
Lebenslage in ihm Belehrung und Ermunterung, selbst auch in Hinsicht auf den
Pflichtcharakter der Missionsarbeit. Durchgehen wir die einzelnen Bitten des „Vaterunser“.
Vaterunser auf Hebräisch (Bildquelle: Anton 17) |
Wir
beginnen das Gebet des Herrn mit den Worten: „Vater unser, der Du bist im
Himmel.“
Damit bekennen wir die Einheit Gottes für alle Menschen, wir sagen
aus, dass alle Menschen Gottes Kinder sind und dass Gott ihr Vater ist.
Kinder
Gottes schon in der natürlichen Ordnung, denn sie sind hervorgegangen aus der
Hand Gottes. Gott bildet aus dem durch ihn erschaffenen Stoff nach den von ihm
geschaffenen und geordneten Naturkräften den Leib eines jeden Menschen. Die Seele
aber, der formgebende Wesensbestandteil der menschlichen Natur, wird bei jedem
Menschen unmittelbar dem Leib einerschaffen. So ist der Mensch ein Kind Gottes
in viel höherem Maße, als er ein Kind seiner Eltern ist.
Oder fehlt uns Gott gegenüber
etwa das, was uns im innersten zu Kindern unserer Eltern macht, die
Ebenbildlichkeit? Durchaus nicht, denn wenn unser Leib im Sein Gott
wiederspiegelt, so trägt unsere Seele als Geist in sich den Abglanz des
geistigen Wesens Gottes.
Nach dem
Empfang der Taufe sind die Menschen Kinder Gottes auch in der übernatürlichen
Ordnung. Die heiligmachende Gnade, die in der Taufe ihrer Seele von Gott
eingegossen wird, ist in ihrem Wesen eine noch viele höhere Ebenbildlichkeit
Gottes als die Seele in ihrem natürlichen Wesen es ist. Noch mehr: Durch die heiligmachende
Gnade wird der Getaufte in dem Maße Kind Gottes, dass er Bruder des Sohnes
Gottes Jesus Christus ist und den Anspruch auf das Erbe Christi des Sohnes
Gottes im Himmel erhält. (…)
„Wir
fahren fort: „Der Du bist im Himmel“. Damit drücken wir die Erkenntnis und den
Wunsch aus, dass wir Menschen allesamt in den Himmel kommen sollen. In der Tat:
wo der Vater seine Wohnung hat, dorthin gehören auch seine Kinder, und wo der
Vater ewig beheimatet ist, dort muss auch die Gottesfamilie der Menschen in der
Ewigkeit sich zusammenfinden.
Wenn die
einzelnen Glieder dieser Gottesfamilie ihren Vater im Himmel aber wahrhaft
lieben, werden sie alles daransetzen, dass ihre Brüder und Schwestern auf erden
auch wirklich einmal in den Himmel kommen, sie werden die heilige Pflicht
anerkennen, mitzuarbeiten an der Missionierung der ganzen Welt.
Vaterunser auf Tamil (Bildquelle: Anton 17) |
Wir fügen
hinzu: „Geheiligt werde Dein Name“.
Ganz
allgemein sprechen wir diese Bitte aus, ganz allgemein wünschen und verlangen
wir also, dass Gottes Name in Ehren gehalten werde, von allen Menschen auf der
ganzen Erde. Wie könnte man es mit diesem ausgesprochenen Wunsch aber
vereinbaren, wenn es einen Beter gäbe, der für seine Mitbrüder und Mitschwestern
auf Erden keine Hand rühren und keinen Willensentschluss fassen möchte dafür,
dass sie alle Gottes Dasein, Gottes Wesen, Gottes Herrlichkeit erkenne und
seine Majestät verherrlichen?
„Zu uns komme
Dein Reich“. Zu uns ohne Ausnahme, auch zu denen, die im Todesschatten und in
der Finsternis des Heidentums sitzen. Dein Reich, das ewige Reich des Himmels und
Dein Gottesreich auf Erden: die katholische Kirche. Und indem wir so beten,
werden wir uns wieder der heiligen Pflicht bewusst, in jeder uns möglichen
Weise dazu mitzuwirken, dass die Kirche Christi, sein Reich auf erden, wirklich
allen Menschen zu teil werde, dass sie auch dorthin dringe, wo jetzt noch keine
Ahnung ist von der göttlichen Erhabenheit der Kirche, und dass schließlich alle
eingehen in das Reich Gottes über den Sternen, in dem ewigen Himmel.
Vaterunser auf Koreanisch (Bildquelle: Laubrière) |
„Dein
Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden.“ Auf der ganzen Welt soll
Gottes Wille stets geschehen. Und so soll er allen Menschen Leitstern und
Richtschnur sein, wie er für die Himmelsbewohner höchste Norm, süßeste Pflicht,
tiefster Lebensinhalt ist. Möchte, o Gott, fürwahr die ganze Menschheit Deinen
heiligen Willen erkennen, den Du niedergelegt hast in Deinen zehn Geboten und
in Deinem christlichen Gesetze!
Möchte die ganze Menschheit, durchdrungen von
der Weisheit und Heiligkeit, Gerechtigkeit und Gütigkeit Deines Willens, es als
ihre erste und letzte Lebensaufgabe betrachten, Deinen heiligen Willen immer zu
erfüllen. So beten, so wünschen wir, und indem wir so beten und wünschen, wird
unser Herz lebendig, unser Wille bewegt, unser Inneres vorwärts getrieben,
unser Entschluss geformt: wir wollen alles aufbieten, was wir können, zu dem
einen Ziele, dass Gottes Wille stets geschehe, wie bei uns so auch in der
Heidenwelt.
(Aus: die
katholischen Missionen, 1925)
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