Der heilige Théophane Vénard war Priester des Pariser Missionsseminars und wurde während einer der vielen Christenverfolgungen in Vietnam inhaftiert. Nachfolgend ein Brief an seine Schwester, den er aus der Gefangenschaft schreibt.
„Es ist beinahe Mitternacht,“
heißt es in dem Brief an die Schwester, „um meinen Käfig stehen Lanzen und
lange Säbel. In einem Winkel des Saals spielt eine Gruppe von Soldaten mit
Karten, eine andere Gruppe mit Würfeln. Von Zeit zu Zeit schlagen die Schildwachen
auf dem Tam-Tam das Wachtsignal. Zwei Meter von mir wirft eine unstet
flackernde Lampe ihr Licht auf mein Blatt von chinesischem Papier und
ermöglicht mir, diese Zeilen zu schreiben.
Von Tag zu Tag erwarte ich mein
Urteil. Vielleicht morgen schon werde ich zum Tod geführt werden. Ein
glücklicher Tod, nicht wahr? Ersehnter Tod, der zum Leben führt…Aller
Wahrscheinlichkeit nach wird man mich enthaupten: glorreiche Schmach, deren
Preis der Himmel sein wird. Bei dieser Nachricht, liebe Schwester, wirst du
weinen, aber Freudentränen.
Sieh nur deinen Bruder, die Krone der Martyrer um
sein Haupt geschlungen, die Siegespalme in seiner Hand! Noch ein Weilchen, und
meine Seele wird die Erde verlassen, ihre Verbannung beenden, am Ziel ihres
Kampfes sein.
Ich ziehe zum Himmel, ich erreiche die Heimat, ich gelange zum
Sieg. Eingehen werde ich in den Wohnort der Auserwählten, schauen jene
Schönheiten, die noch kein Menschenauge geschaut hat, hören die Harmonien, die
noch kein Ohr gehört, genießen die Freuden, die noch kein Herz gekostet. Aber
vorher muss das Samenkorn erst zermalmt, die Traube gekeltert werden. O möchte
ich ein Brot, ein Wein nach dem Geschmack des himmlischen Hausvaters sein! Ich
hoffe es von der Gnade des Heilands, von dem Schutz seiner unbefleckt
empfangenen Mutter; und darum darf ich, obwohl noch auf dem Kampfplatz, schon
den Triumphgesang anstimmen, als wenn ich schon gekrönter Sieger wäre…Lebe wohl,
geliebte Schwester, lebe wohl!“
(Aus: die katholischen Missionen, 1876)
…diesen Triumphgesang konnte er
zu Recht anstimmen. Am 2. Februar 1861 wurde Théophane Vénard enthauptet. Papst
Pius X. sprach ihn 1909 selig, Papst Johannes Paul II. sprach ihn 1988 heilig.