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Sonntag, 22. Juni 2014

Große Missionsbischöfe: Youhanna XII. Boutros el Hajj, maronitischer Patriarch


Afrika, das sonst so opferreiche, ist diesmal auf unserer Totenliste nicht vertreten. Dagegen hat der Orient zwei seiner Kirchenfürsten zu betrauern. Am Tag vor Weihnachten schlummerte der 82-jährige Patriarch der Maroniten, Se. Seligkeit Youhanna Boutros el Hajj, in seiner Winterresidenz zu Bekerkey im Libanon friedlich zum besseren Leben hinüber. Sein von hohem Alter und Mühsalen gebrochener Leib hatte einem starken Fieberanfall keinen Widerstand mehr bieten können. Um die entseelte Hülle sammelten sich nicht bloß seine eigenen Suffragane, sondern die Vertreter aller Klassen und Nationen des Libanon. Msgr. Duval O.P., Apostol. Delegat für Syrien, Graf von Curcey, der französische Generalkonsul in Beirut, Erzbischöfe, Bischöfe, Priester und Mönche der verschiedensten Riten, die Prinzen und Scheichs der Berge, die lateinischen Missionäre: Franziskaner, Kapuziner, Jesuiten, Lazaristen, alle kamen, um dem allgemein geliebten Patriarchen die letzte Ehre zu erweisen. 

Nach Landessitte auf einem Thron sitzend, mit den Gewändern und Insignien des Patriarchen angetan, assistierte der ehrwürdige Priestergreis gleichsam im Tod noch den feierlichen Totenämtern, die in lateinischem, syrischem und griechisch-melchitischem Ritus gehalten wurden. Msgr. Debs, maronitischer Erzbischof von Beirut, hielt in arabischer Sprache die Leichenrede.

Msgr. Youhanna Boutros el Hajj begann am 1. November 1817 zu Delipta im Distrikt Kesruan seine irdische Laufbahn. Nach Vollendung seiner klerikalen Ausbildung studierte der talentvolle junge Priester türkisches Recht, wurde 1844 von Msgr. Johann Habil für seine Glaubensgenossen zum Richter des Libanon ernannt und bewies in dieser Stellung in schwierigen Zeiten große Klugheit und Festigkeit.

1861 bestieg er den erzbischöflichen Stuhl von Balbeek. „Alles“, so erzählte Damien Ramia in den Echos d’Orient „war hier erst zu schaffen; denn die früheren Bischöfe des Libanon lebten gemeinsam mit ihrem Patriarchen zusammen. Der neue Erzbischof hatte bloß einen Titel, aber weder eine Residenz noch irgendwelches Einkommen. Trotzdem gab er sich mutig ans Werk, und mit Gottes Segen war seine Diözese bald eine der bestbestellten seines Ritus.“ Seine Diözesanen hingen aber auch mit unbegrenzter Liebe an ihrem Vater, und als nach dem Tod des Patriarchen Massad die maronitischen Bischöfe am 28. April 1890 Msgr. Hajj einstimmig zum Nachfolger wählten, sprachen sie aus dem Herzen des ganzen Volkes, das die Neuwahl mit Jubel begrüßte. Drei Tage und drei Nächte trugen Glockengeläute und Gewehrsalven die frohe Kunde durch die Berge. 

Am 23. Juni 1890 bestätigte Leo XIII. die Wahl und lobte bei dieser Gelegenheit seine lieben Maroniten wegen ihrer Treue, mit der sie in allen Stürmen zur Mutterkirche gehalten. In seiner neuen Würde bewährte Msgr. Hajj die schönsten Eigenschaften des Geistes und Herzens: große Klugheit, hingebende Selbstverleugnung, unwandelbare Treue und Liebe zur heiligen Kirche und seinem Volk. 

Seine erste Sorge war, die Bildung seines einheimischen Klerus zu heben. Auf seine Anregung hin stellte Leo XIII. das 1584 von Gregor XIII. gegründete maronitische Seminar in Rom wieder her. „200 Jahre lang“, schreibt Ramia, „hatte dieses Kolleg unter der Leitung der Jesuiten Europa eine Reihe Gelehrter, wie die beiden Assemani, dem Orient aber eine Phalanx durch Frömmigkeit und Tugend ausgezeichneter Männer geschenkt.“ Napoleon hatte es 1813 verschleudert. Nun sollte es, 1894 wiederhergestellt, abermals eine fruchtbare Schule apostolischer Arbeiter für den Libanon werden. Dank der Bemühungen der Patriarchen stiftete die französische Regierung auch in dem berühmten Seminar St. Suplice in Paris acht Freiplätze für junge Maroniten und räumte den zahlreich in der Seine-Stadt weilenden Maroniten die Kapelle von Petit Luxembourg ein.

Durch Altersschwäche gehindert, musste Msgr. el Hajj 1893 beim Eucharistischen Kongress in Jerusalem und bei der von Leo XIII. nach Rom berufenen Versammlung der orientalischen Patriarchen zur Beratung der Unionsfrage durch seinen Koadjutor, Msgr. Hoyek, Erzbischof von Arka, sich vertreten lassen, nahm aber aus der Ferne den regsten Anteil und erklärte in einem wunderschönen Brief an den Heiligen Vater seine vollste Übereinstimmung mit allen Weisungen und Beschlüssen. 

Mit den lateinischen Missionären, denen ja der Libanon so viel verdankt, stand der Patriarch in den besten Beziehungen. „Wir müssen“, so pflegte er zu sagen, „alle brüderlich zusammenhalten und miteinander Hand in Hand gehen, um die Seelen zu retten. Das ist der Geist Jesu Christi, der seine Apostel nicht bloß zu den Juden, sondern auch zu den Heiden gesandt. In seiner Kirche gibt es keine Lateiner, Griechen, Armenier, sondern Katholiken, d. h. Kinder einer Mutter, die alle dem gemeinsamen Oberhirten, dem Stellvertreter Christi auf Erden, unterstehen.“ Eine Reihe schöner Neubauten, Kirchen und Anstalten, wie die von Aramun, Diman, Bekerkey, die Patriarchenwohnung und die Kirche des hl. Maron in Jerusalem sind Schöpfungen des Patriarchen. 

Seine hohen Verdienste brachten ihm auch die höchste Anerkennung von außen. So erhielt er das Kreuz vom heiligen Grabe, den Medschidieh-Orden I. Klasse und den osmanischen Großkordon, sowie das Kommandantenkreuz der französischen Ehrenlegion. „Der Name Msgr. Hajjs“, schließt Ramia, „wird im Libanon stets mit Liebe und Ehrfurcht genannt werden.“


(Aus: die katholischen Missionen, 1899)