Quelle: Kevin Pluck |
(…) „Auch die Missionsstation stand damals unter dem Zeichen des Löwen.
Kurze Zeit vorher war nachts ein Löwe in die Mission eingebrochen und hatte die
Schuppen und Stallungen des Viehhofes revidiert.
Da es ihm nicht gelungen war,
in die Viehställe einzudringen, so hatte er sich den Wohnungen der Missionäre
zugewandt. Über eine Veranda spazierend, erschaute er das offene Fenster eines
Zimmers, in dem ein Bruder den Schlaf der Gerechten schlief.
Interessiert hob
der Löwe die Vorderpranken auf das Fensterbrett und streckte seine Nase
zwischen den nur fingerdicken Holzstäben der Vergitterung hindurch. Er hätte
nur einen leisen Ruck mit dem Kopf zu machen brauchen, und das Gitterwerk wäre
zertrümmert gewesen.
Durch das Knurren des Raubtieres erweckt, schaute der
Bruder nach dem Fenster hin und erblickte dort das furchtbare Löwenhaupt. Eine
Waffe hatte er nicht zur Hand und fliehen konnte er nicht, da die Türe seines
Zimmers gleichfalls auf die Veranda führte.
So lag er denn, starr vor Schrecken,
auf seinem Lager und wagte kaum zu atmen. Endlich trat der Löwe vom Fenster
zurück und ließ sich behaglich knurrend unter der Veranda nieder. – Er konnte
warten! – Noch stundenlang hielt er durch sein Schnauben und Schmatzen den
geängstigten Bruder munter, bis schließlich der werdende Tag den Unhold vertrieb.
Als nach all diesen Erzählungen ein junger Pater mir bei
Sonnenuntergang die Kaffeeplantage zeigte, blickte er von Zeit zu Zeit scheu
zur Seite und gab mir auf meine Frage, wonach er denn so eifrig ausspähe, die
Versicherung, dass gewiss ebenso wie an den vorhergehenden Abenden auch jetzt
wieder ein Löwe in der Nähe sei. – Augenscheinlich fingen die Löwengeschichten
an, alle Welt in Mrogoro nervös zu machen.“(…)
(Aus: die katholischen Missionen, 1900)