Reiterstatue von Mohammed Abdallah Hassan in Mogadischu |
Nicht erst seit der Al-Shabaab-Miliz gibt es fanatische Mohammedaner in Somalia. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts machte Mohammed Abdallah Hassan, ein Derwisch aus dem Somaliland, mit seinen Banden das Land unsicher. Die Briten gaben ihm den Namen "Mad Mullah", der verrückte Mullah. Diese Figur ähnelt sehr dem Mahdi des Sudan, Mohammed Ahmed, der sich als Oberhaupt eines zukünftigen weltweiten islamischen Staates verstand.
Der nachfolgende Bericht eines Kapuzinermissionars schildert den Werdegang Hassans und seine ersten Feldzüge.
Seit Monaten brachte die Tagespresse Nachrichten über den Krieg zwischen den Engländern und dem „tollen Mullah“. Es dürfte daher unsere Leser interessieren, über diese Kämpfe und ihre Ursache von einem Missionär, der selbst an Ort und Stelle weilt, nähere Auskunft zu erlangen. Wir entnehmen das Folgende einem ausführlichen Bericht des P. Evangelista O. Cap., dem Gründer und Leiter der Mission von Berbera. Seit 1891 wurde nämlich der unter britischer Schutzherrschaft stehende Teil des Somalilandes zur Kapuzinermission von Arabien geschlagen und 1892 durch Errichtung einer Station in Berbera, dem Hauptort des Landes, begründet.
Auch hier war es namentlich die Ausübung der Werke christlicher Nächstenliebe, Krankendienst und Armenpflege, durch die sich die Mission erst Boden schaffen und die Unduldsamkeit der Moslemin wie die Vorurteile und Kälte der Eingeborenen überwinden musste. Gerade in dieser Hinsicht leisteten die Franziskanerinnen von Calais vorzüglich Dienste. 1901 wurden in vier Schulen über 100 Kinder unterrichtet. Kurz, die noch junge Missionsstation von Berbera versprach ein wichtiger Stützpunkt für die Evangelisierung der Somalistämme zu werden.
Umso bedauerlicher ist die Störung, welche auch die Missionsarbeiten durch den Aufstand des „tollen Mullah“ erfahren haben. Derselbe bildet im Kleinen eine Wiederholung des Mahdiaufstandes im Sudan.
Der „Mullah“, Mohammed Abdileh, wurde in der Provinz Ogaden von armen Eltern geboren.
Als Jüngling kam er zu dem durch seine Zauberer und Verschwörer bekannten Stamm der Dankali und wurde in deren Geheimlehren eingeführt. Nachdem er in der Schule der Wadad (arabische Bettelmönche) die arabische Schrift und den Koran kennen gelernt, machte er wiederholt die Pilgerfahrt nach Mekka und erwarb sich so den Ehrentitel eines Hadschi (Pilgers).
Doch brachte er es in Berbera, wo er sich zunächst niederließ, nicht über den Stand eines armen Wadad hinaus. Er wandte sich daher zu dem mächtigen Stamme der Dulbakanteh, im Tale des Nogal, südöstlich von Berbera, nahm hier den Titel eines Mullah (Priester und Gesandten Allahs), ja sogar eines Mahdi (Propheten) an.
Durch den Schein großer Strenge und die sichere und gewandte Art, wie er seine vorgeblichen Offenbarungen vortrug, wusste er sich bei dem unwissenden und abergläubischen Volk immer mehr in Ansehen zu setzen und galt bald als ein außerordentlich begnadetes Wesen, das mit Gott und Teufel im engsten Verkehr stand. Um seine Huld und Fürbitte zu erlangen, flossen reichliche Geschenke an Kamelen, Pferden, Herden von Hornvieh und Schafen, so dass der arme Wadad von Berbera bald der reichste Mann des mächtigsten Stammes wurde und wie ein Fürst auftrat.
Mit seinem Ansehen wuchs sein Stolz und sein maßloser Ehrgeiz. Er ließ sämtliche Koranexemplare der anderen Wadads im Tale des Nogal verbrennen unter dem Vorgeben, er selbst sei der lebendige Koran, ein neuer Gesandter Gottes, dem alle Gehorsam und Gefolgschaft schuldeten. Wer sich nicht fügte, wurde gewaltsam aus dem Weg geschafft. Sobald er sich hinlänglich Stark glaubte, trat er als Eroberer auf.
Seit Mai 1899 begannen seine zügellosen Banden Mord und Raub in die benachbarten Gebiete zu tragen, alles weithin in Schrecken setzend. Auch in Berbera verursachte die Kunde von seiner Annäherung eine allgemeine Panik, da man auf einen Widerstand völlig unvorbereitet war und der britische Kommissär nur eine Handvoll Truppen zur Verfügung hatte.
Glücklicherweise langten von Aden zwei Kriegsschiffe an. Die Stadt war gerettet. Unverrichteter Dinge zog der Mullah unter Raub und Plünderungen langsam nach dem Hinterland Ogaden zurück, das Menelik, der Negus von Abessinien, als Teil seines weiten Gebietes beansprucht, und wo der Prophet daher vor der Verfolgung durch die Engländer sich sicher wusste.
Hier, im fruchtbarsten Teil des Somalilandes, gelang es dem Mullah, die Bevölkerung in Masse unter seine Fahnen zu ziehen und zu einem Feldzug gegen die Abessinier, den angestammten Erbfeind, zu begeistern. Während einzelne Streifbanden fortwährend das englische Schutzgebiet beunruhigten, rückte das Hauptheer im Laufe des Jahres 1900 auf Harar, die Hauptstadt des abessinischen Somalilandes, zu.
(Aus: die katholischen Missionen, 1903)