Am 15.
Juli schloss zu Samaniego, einer Ortschaft der Provinz Túquerres (Kolumbien),
Msgr. Peter Schumacher, Bischof von Portoviejo in Ecuador, seine müden Augen.
Er starb in der Verbannung, ein wahrer Bekennerbischof. Bischof Schumacher und
der gleichfalls der Lazaristenkongregation angehörige Bischof Thiel von Costa
Rica (+1901) bilden zusammen ein glänzendes Doppelgestirn. Sie zeigen, wie
gerade der deutsche Priester mit seiner Arbeitskraft und zähen Ausdauer berufen
scheint, der südamerikanischen Kirche neues Leben einzuhauchen.
Bischof
Schumacher ist gebürtig aus Kerpen bei Köln, wo er am 11. Januar 1839 als Sohn
braver katholischer Eltern zur Welt kam. Nach Vollendung seiner
Gymnasialstudien zu Münstereifel trat er 1857 zu Paris in die Kongregation der
Lazaristen, wirkte nach seiner Priesterweihe zunächst acht Jahre lang als
Missionär in Chile und dann, gesundheitshalber nach Europa zurückgekehrt, als
Professor der Theologie und Kirchengeschichte am Priesterseminar von
Montpellier in Frankreich.
Inzwischen war unter dem edlen Garcia Moreno im
fernen Ecuador eine neue, bessere Zeit angebrochen. Zu seinen großen
Reformplänen gehörte auch ein von Lazaristen geleitetes neues Priesterseminar.
Schumacher war der Mann, der es schaffen sollte. Hand in Hand mit dem herrlichen
Präsidenten arbeitete er mit voller Hingabe an dieser wichtigen Aufgabe. „Nur
wer zu den Mühen,“ so schreibt das Boletin Eclesiastico von Quito (1902,403), „die
mit einem solchen Unternehmen überhaupt verbunden sind, noch die besonderen
Schwierigkeiten in unserem Land in Betracht zieht, wird das Verdienst
Schumachers vollauf würdigen können.“
Er gab der Erzdiözese drei große,
prächtige geistliche Erziehungsanstalten, das Knaben- und ein Priesterseminar
in Quito und das Institut von Atocha, und legte nicht nur zum geistigen Gebäude
den Grund, sondern arbeitete auch mit seinen eigenen Händen und im Schweiße
seines Angesichts am materiellen Bau. „P. Schumacher war gleichzeitig
Baumeister und Feldmesser, Maurer und Zimmermann, Maler und Blechschmied, dabei
der pünktlichste Direktor, Professor in mehreren Klassen, stets der erste bei
den Übungen der Frömmigkeit im Kreise seiner Mitbrüder wie an der Spitze der
Alumnen.“
13 Jahre
lang (1872-1885) hatte Schumacher unermüdlich als Erzieher und Bildner eines
neuen Klerus gearbeitet und mit Hilfe seiner Mitbrüder die Weltgeistlichkeit
von fast ganz Ecuador reformiert, als ihn der Wille des Papstes auf den 1871
errichteten Bischofssitz von Portoviejo in der Küstenprovinz Manabi berief.
Die Diözese Portoviejo umfasst mehr als die Hälfte der langgestreckten Küste von Ecuador und zählte damals etwa 130.000 bis 150.000 Einwohner, teils Weiße spanischer Abkunft, teils Neger und Mischlinge von Weißen und Negern, und einige Tausend Indianer, dem Namen nach sämtlich katholisch, in Wirklichkeit aber größtenteils der Kirche entfremdet. Als Bischof Schumacher im Jahr 1885 die Regierung seiner ausgedehnten Diözese antrat, fand er das Land in einem halbwilden Zustand. Nirgends war ein Priester, nur hier und da eine vereinzelte verwahrloste Schule; Raub und Mord waren an der Tagesordnung, und unter der herrschenden Unsicherheit lag der Landbau vollständig danieder.
Der neue
Oberhirt wandte zunächst seine Sorge der Beschaffung guter Priester und der
Bildung der Jugend zu. Nach Überwindung unsäglicher Schwierigkeiten gelang es
ihm, aus Deutschland, Frankreich, Nordamerika, Italien und Spanien die nötigen
Priester ins Land zu ziehen und mit Hilfe von männlichen und weiblichen
Ordensgenossenschaften in allen Teilen des Landes Anstalten zum Unterricht und
zur Erziehung der Jugend, zur Heranbildung einer tüchtigen Priesterschaft und
zur Hebung von Religiosität und Sitte zu gründen.
Rasch blühten dieselben
empor, und es begann sich allgemein ein frisches, religiöses Leben zu
entwickeln. Ruhe und Zufriedenheit kehrten in die Familien und Gemeinden ein,
es hob sich die allgemeine Sicherheit, Ackerbau und Viehzucht gediehen, und alljährlich
wurden in dem ergiebigen Boden Tausende von Kaffee- und Kakaobäumen
angepflanzt. Zur Hebung der äußeren Wohlfahrt baute der Bischof Brücken,
verbesserte die Verkehrsmittel, führte Bewässerung durch Windmühlen ein und
lehrte eigenhändig die Anfertigung von Ziegeln.
Die Diözese Portoviejo war bald
in religiös-sittlicher wie in materieller Hinsicht der blühendste Teil des
Landes, und Bischof Schumacher wurde als der Urheber dieser Blüte von der Liebe
des Volkes getragen. Sein wohltätiger Einfluss blieb auch nicht auf seinen
Sprengel beschränkt: das ganze Land trug die unverlöschlichen Spuren seines
Wirkens.
Seine Ferienzeit hatte er in der Regel der Bekehrung und der Zivilisierung
der umwohnenden Indianer gewidmet. So kam es denn, dass er seit den Tagen des
seligen Präsidenten und Landeserneuerers Garcia Moreno der allgemein
verehrteste und volkstümlichste Mann von Ecuador war.
Je
ersichtlicher aber die Liebe und Anhänglichkeit des Volkes an Bischof und
Kirche zunahmen, umso heftiger steigerten sich der Hass und die Wut der
geheimen Gesellschaften, die ja seiner Zeit auch de Präsidenten Garcia Moreno
um seiner Kirchentreue willen ermordet hatten. Zuerst suchten sie durch die
schamlosesten Lügen und Verleumdungen in ihren gottlosen Zeitungen das
segensreiche Wirken des Bischofs zu untergraben; als dieser jedoch zur Bekämpfung
jener Schandblätter das katholische Wochenblatt El Hogar Cristiano gründete und
hier alle Angriffe und Anfeindungen immer siegreicher zurückwies, fassten die
Freimaurer den Beschluss, ihn durch Mord zu beseitigen. Wiederholt wurden
Mordanschläge gegen sein Leben unternommen,, aber mit Gottes Hilfe jedes Mal
durch die Wachsamkeit der Priester und der Seminaristen und bei besonderen
Gefahren auch durch den Schutz des treuen katholischen Volkes glücklich
vereitelt.
Da die Mordgesellen auf diesem Weg nicht zu ihrem Ziel gelangten,
zogen sie sich in das Gebirge zurück und bildeten dort mit flüchtigen
Verbrechern eine Art Räuberbande, welcher sich bald auch Gesindel aus aller
Herren Ländern zugesellte. Solche Elemente pflegt die in Mittel- und Südamerika
bestehende internationale Revolutionspartei jeweils an den Punkten zu sammeln, wo
ein Aufstand geplant ist. Aus ihnen werden dann Heere gebildet, welche sich je
nach Umständen Patrioten, Befreier, Wiederhersteller usw. dieses oder jenes „Vaterlandes“
nennen.
Als nun in
der wichtigen Hafenstadt Guayaquil die Revolution ausbrach, rückte diese Bande,
die mittlerweile auf etwa 400 Köpfe angewachsen war und die Reisenden und die
umliegenden Dörfer unter dem Feldgeschrei: Muera Cristo! Viva la Libertad! (Tod
Christus! Es lebe die Freiheit!) u. dgl. plünderte, am 1. Mai 1895 gegen die
Bischofsstadt, wurde aber von der kleinen, nur 40 Mann starken Besatzung zurückgeschlagen
und ihr Führer getötet.
Die unsichere Lage ließ jedoch die zeitweise Entfernung
des Bischofs als ratsam erscheinen. Am 20. Juni 1895 kam der Plan zur
Ausführung; allein anstatt seinen Feinden zu entgehen, fiel der Bischof ihnen
geradewegs in die Hände. In aller Frühe hatte er sich mit fünf Priestern auf
den Weg gemacht, und gegen Abend erreichte er das Kloster der Benediktinerinnen
zu Calceta, wo er zu übernachten gedachte, um am nächsten Tag die Flucht fortzusetzen.
Kaum aber dort angelangt, wurden die Flüchtlinge von einer Bande Verschwörer
unter dem bekannten Ruf: Muera Cristo! umzingelt, gefangen genommen und mit dem
Tod bedroht. Der Kapuzinerpater Angelus erhielt dabei einen Schuss in die
Hüfte, den Bischof und die übrigen Priester schützten die Schwestern mit eigener
Gefahr.
Durch die treugebliebenen Soldaten wurden die Bedrängten jedoch in der
äußersten Gefahr gerettet.
Fünf Tage und fünf Nächte marschierten sie dann,
fortwährend den Tod vor Augen, unter beständigen Angriffen der Feinde, inmitten
der Truppen, durch Flüsse und Sümpfe, bis sie endlich den Urwald erreichten.
Hier waren sie nun der Verfolgung der Rebellen entzogen, um aber neuen Gefahren
entgegen zu gehen. Nach unsäglichen Mühsalen und Bedrängnissen gelangte der
Bischof, von der Bevölkerung mit Jubel empfangen, am 20. Juli in die Landeshauptstadt
Quito.
Allein auch hier war sein Leben bald wieder gefährdet, da durch den
Verrat des kommandierenden Generals die Revolution siegte. Nun floh er nach dem
benachbarten Kolumbien und lebte hier seit der Zeit zu Túquerres (Diözese Pasto) von den Almosen des gläubigen Volkes, des Tages harrend, wo der Allmächtige
seine strafende Hand von dem armen Ecuador zurückziehen werde.
Er sollte
diesen Tag nicht erleben. Aber auch in der siebenjährigen Verbannung war der
Bischof nicht untätig.
Sein Aufenthalt wurde, wie das genannte Boletin
ausführt, für Samaniego und Umgebung ein wahrer Segen, da der an Tätigkeit
gewohnte deutsche Bischof auch hier rastlos an der geistigen und materiellen
Hebung der Bevölkerung arbeitete.
Konnte er die Katholiken Ecuadors nicht mehr
durch seine Gegenwart und sein lebendiges Wort stärken, so tat er es mit der Feder.
Seine Schrift „¿Teocracia o Demoncracia? ¿Cristo
o Lucifer? ¿Quien vencerá?“ (Soll Gott herrschen oder Satan? Christus oder
Luzifer? Wer wird siegen?), die wiederholt gedruckt wurde, war ein flammender
Protest gegen die schmachvolle Politik der radikalen Regierung, die das
Programm des elenden Emporkömmlings Eloy Alfaro „Ich komme, um der Herrschaft
Gottes in Ecuador ein Ende zu machen“, nach Kräften auszuführen suchte. Mit
schonungsloser Schärfe legte Schumacher die für die geistige und materielle
Wohlfahrt gleich verderblichen Folgen jener Misswirtschaft dar und geißelte die
Heuchelei der Logenmänner, die die Freiheit verheißen und eine unerträgliche
Tyrannei gebracht hätten.
Gebrochen durch körperliche Leiden und Sorgen, starb
der Bekenner Christi, heilig, wie er gelebt. Als ihm die letzte Wegzehrung
gebracht wurde, legte er mit letzter Kraft noch einmal das katholische Glaubensbekenntnis
ab und verzieh feierlich all seinen Feinden und Verfolgern.
Ein Wehklagen ging
bei der Kunde seines Todes durch die Bevölkerung. „Unser Vater, der heilige
Priester ist tot“, riefen die Leute auf den Straßen. Auch in Ecuador machten
die Todesnachrichten tiefen Eindruck. Selbst die unabhängige La Patria feierte
den Hingeschiedenen als „das heldenmütige Opfer einer traurigen Missregierung“,
als den „starken Paladin der kirchlichen Rechte“, der, gehasst von den
Revolutionären, geliebt von den Edlen des Landes, in harter Verbannung und
beladen mit ungerechter Schmach seine irdische Laufbahn vollendet habe.
(Aus: die
katholischen Missionen, 1903)