Von Schwester Restituta:
(…) Die Weißen Schwestern tun ihr Möglichstes,
um diese Opfer des Hungers [die Kinder] dem Tod zu entreißen: sie betten sie
weich und suchen mit mütterlicher Sorgfalt ihnen die stärkende Nahrung
beizubringen, freilich in ganz geringer Menge, um sie nicht zu töten. Aber
diese Kinder haben so sehr gelitten, dass beim Anblick dieser lang entbehrten
Nahrung ein Ekel sie erfasst, so dass der Magen nicht mehr im Stande ist, sie
anzunehmen, wenigstens nicht, sie zu behalten. Fünfzehn dieser Kinder sind dem
Übermaß der ausgestandenen Entbehrungen bereits erlegen. Unter ihnen befand
sich auch der ältere der beiden Knaben, deren ich in meinem ersten Brief
erwähnt, die zwei Tage lang auf der Landstraße neben der Leiche ihrer Mutter
ausgeharrt hatten. Er bereitete sich auf seinen Tod vor wie auf ein Fest, und
seine frommen Fragen und Äußerungen rührten den Missionär zu Tränen. Auch die übrigen
haben dieses Jammertal nicht verlassen, ohne ihre Eintrittskarte für den Himmel
mitzunehmen.
(…) Schon seit Jahren haben die
Schwestern den Trost, alle Sterbenden [in ihrem Spital], auch die Erwachsenen,
taufen zu dürfen. Es ist dies die Frucht ihrer aufopfernden Hingabe und
Krankenpflege. Die Araber sind infolge der Entbehrungen, des Klimas, der angeborenen
Unreinlichkeit und der durch ihre Religion [den Islam] sanktionierten Laster
Krankheiten ausgesetzt, von denen man in Europa sich schwer einen Begriff
macht. Die davon Befallenen werden von ihren Familien häufig verstoßen und
verlassen; auch wenn dies nicht der Fall ist, finden sie nie auch nur annähernd
entsprechende Pflege. Ist es da zu
verwundern, dass der Anblick dieser weißgewandeten Schwestern, die ihr
Vaterland, ihre Familie verlassen, um, selbst den verderblichen Einflüssen des
Klimas ausgesetzt, sich liebend ihrer Pflege zu widmen, auf diese egoistischen
Naturen einen niemals empfunden Eindruck macht und das wärmste Dankgefühl
erregt? Ein wenig Nachdenken bringt sie dann zu dem Schluss, dass eine
Religion, die eine solche Barmherzigkeit lehre, besser sein müsse als die ihre.
Viele verlangen aus eigenem Antrieb, in derselben zu sterben. Bei anderen
können die Missionäre ohne Anstand auf religiöses Gebiet übergehen, sobald sie
die Kranken vom Arzt aufgegeben wissen, ohne die Freiheit des Gewissens im Geringsten
zu beeinträchtigen. Die liebevolle Pflege, die ihnen zuteil geworden, hat uns
ihr Herz gewonnen. „Ihr fremden Marabus“, sagen sie, „ihr wisst alles; ihr
wisst auch, welches die beste Religion ist. Ihr wollt uns nicht betrügen, denn
die Lüge hat eure Lippen nie berührt. Ja, ich will leben und sterben wie ihr!“
– Ein junges Mädchen befand sich seit 14 Tagen im Spital. Ihr Gaumen, ihr Hals
waren vom Krebs zerfressen. Man fragte sie, ob sie nicht als Christin sterben
wolle. „Aber darum bin ich ja hierhergekommen“, sagte sie einfach; „wenn ich
nicht sterben wollte wie ihr, wäre ich bei meinen Eltern geblieben.“ – Ihr Tod
war außerordentlich erbaulich.
(Aus: die katholischen Missionen,
1893)
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