Msgr. Paul-Marie Reynaud C.M. |
In den
Hafenorten und den bedeutenderen Städten Chinas sehen wir die katholische
Mission fast überall schon durch stattliche Kirchen und schöne Anstalten
vertreten. Anders ist es vielfach auf dem flachen Land, in den kleineren weit
zerstreuten Außenposten. Hier trägt die Mission mancherorts noch ein recht
ärmliches Gewand, und hier fühlt der Missionär oft genug die ganze Bitterkeit
der apostolischen Armut. Solche Erfahrungen hat vor einiger Zeit auch der
Apostol. Vikar der Lazaristenmission von Tschekiang, Msgr. Reynaud, auf einer
weiten Rundfahrt durch seinen Sprengel gemacht.
„Wir sind aus
den Katakomben in die Scheunen gestiegen“, so fasst er seinen Eindruck
zusammen. Die Kapellen der neueren Christengemeinden gleichen in der Tat
großenteils armseligen Scheunen und sind so niedrig, eng und dunkel, dass man
darin kaum aufrecht stehen kann. „Wenn ich sitzend predige, so sehe ich einen
großen Teil der Zuhörer nicht; stehe ich auf, so habe ich sicher einen Balken
vor Mund oder Augen. Es kostet große Anstrengung, will man sich in diesem
Labyrinth von Balken und Pfosten seiner Zuhörerschaft mit den glattrasierten
Köpfen überall verständlich machen.“
Um bei der
Firmung die Mitra aufzusetzen und nicht mit dem Kopf anzustoßen, musste der
Bischof seinen Sitz in die Mitte unter den Dachfirst verlegen. Hier geht es
allenfalls. Er sei aber selten ohne Beule am Kopf aus diesen „Kapellen“
herausgekommen. Sehr oft sind dieselben bloß ein größeres Zimmer in einem
chinesischen Haus. Bei der heiligen Messe oder dem Hochamt spendet dann die
nahe Küche den Weihrauch, da sie von der Kapelle nur durch eine schlecht
gefügte Bretterwand getrennt ist und der Rauch abzieht, wo er gerade eine
Öffnung findet. Alles hustet bei dem Qualm, der in dem niedrigen, dicht
gefüllten Raum erstickend wirkt.
Eine harte
Probe für den Bischof war der geradezu unbezähmbare, dreiste Vorwitz, der den
Chinesen eigen ist. Das Bischofszimmer bestand in den meisten Fällen aus einem
Raum, der gleichzeitig als Sprech-, Ess-, Rauch- und Schlafzimmer, außerdem als
Durchgang für die Dienerschaft und als Tummelplatz der Hühner, Hunde, Katzen,
Schweine diente. Das alles geht noch an. Aber die Menge der sich zudrängenden
Leute, meist noch Heiden, die um jeden Preis den großen Mann sehen wollen,
macht die Lage oft fast unerträglich. Das ist ein Gedränge! Jedes Plätzchen ist
besetzt. Stühle, Tische werden erklommen, um besser sehen zu können. Jeder
verteidigt seinen Standort gegen den Nachdrängenden. Es ist keine Kleinigkeit, da
Ruhe und Ordnung zu schaffen, falls im selben Raum auch noch Gottesdienst,
Predigt oder Christenlehre gehalten werden soll. Den ganzen Tag gibt’s keine
Ruhe. Eine Gruppe Neugieriger löst die andere ab. Es sind Leute aus allen
Ständen und Klassen, Männer und Frauen, Jung und Alt, „Gelehrte“, Kaufleute,
Bauern und Tagelöhner. Alle wollen den Bischof sehen, ihm ihre Aufwartung machen,
und alle kommen vor allem, um ihn gründlich von oben bis unten zu mustern.
(Aus: die
katholischen Missionen, 1904)
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