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Donnerstag, 27. Dezember 2012

Etikette auf Sri Lanka: Zitrone, Regenschirm und Zigarre


Andere Leute, andere Sitten. Wie man in Europa hohen Persönlichkeiten beim Empfang einen Blumenstrauß überreicht, so bietet man auf der Perleninsel Ceylon eine Zitrone auf einem Blatt an. Das Blatt muss eine anständige Größe haben, die Zitrone darf klein wie eine Nuss sein.
Die Etikette verlangt, dass die hohe Persönlichkeit für gewöhnlich nur die Frucht berühre und dann zurückgebe, damit sie von den Gebern verzehrt werde. Eines Tages erhielt Msgr. Van Reeth S.J., Bischof von Galle, den Besuch von drei kleinen Ceylonesen. Jeder bot ihm das herkömmliche Geschenk an.
Da der Bischof sich noch nicht genau in den ceylonesischen Höflichkeitsformeln auskannte, nahm er die Zitrone unter freundlichem Lächeln entgegen und legte sie beiseite. Darüber anfangs großes Staunen, dann aber unbändige Freude über die alles Erwarten übersteigende Herablassung des großen Mannes.

Die Zitrone ermöglicht es auch, in seiner Form Großmut zu zeigen. Einst hatte ein katholischer, auf seine Kaste ungemein stolzer Brahmane dem Apostol. Delegaten Msgr. Zaleski einen kleinen Dienst erwiesen.
Da die Selbstlosigkeit in Indien eine seltene Frucht ist, wünschte seine Exzellenz dem Manne eine Belohnung von einigen Rupien zukommen zu lassen. „Fügen Sie doch dem Brahmanen nicht diese Schmach zu“, bemerkte da jemand dem Bischof. „Legen Sie zwei oder drei Rupien auf ein schönes Feigenblatt, bedecken Sie sie mit einer Zitrone und schicken Sie ihm diese Frucht. Das Geschenk wird für den Brahmanen eine hohe Ehre sein.“

Auch der Regenschirm nimmt eine achtunggebietende Stelle in den Höflichkeitsbezeigungen ein. Begleitet man eine Person von Rang, so hat man gewissenhaft darauf zu achten, dass das Firmament nicht unmittelbar über dem hohen Haupt steht.
Man muss einen geöffneten Schirm über ihn halten selbst im Schatten. Übrigens steht es nicht jedem Sterblichen frei, einen Schirm zu tragen.

Die niedrigen Kasten müssen ohne dieses wichtige Instrument durchs Leben wandern; andere dürfen sich zum Schutz gegen den Regen nur der großen Talapablätter bedienen, wieder andere haben nur ein Anrecht auf eine Art chinesischen Sonnenschirm. Begegnet ein Ceylonese mit geöffnetem Schirm einem anderen aus höherer Kaste, so klappt er ihn entweder zusammen oder senkt ihn, damit er in dessen Gegenwart nicht bedeckt erscheine.

In Ceylon, wo alles raucht, ist es selbstverständlich, dass auch die Zigarre im Höflichkeitskodex steht. Als rücksichtslos und ungeschlacht gilt, in Gegenwart einer geschätzten Person zu rauchen.
Oft ist es für die Missionäre recht amüsant zu betrachten, mit welcher Geschwindigkeit Pfeife und Zigarre namentlich aus dem Munde von Frauen und Kindern verschwinden, wenn sie plötzlich irgendwo auftreten.
Von Höflichkeit zeugt es, einem Hochgestellten eine Zigarre anzubieten. P. Lemaitre S.J. erzählt, er habe einst auf einem Schiff den ehemaligen Gerichtspräsidenten Kalmunai, einen der Mission wohlgesinnten Heiden, getroffen. Sofort habe der Herr ihm eine Zigarre angeboten.
Als er die Höflichkeit erwidern wollte, habe der Expräsident zwar die Zigarre angenommen, sei aber unter keinen Umständen zu bewegen gewesen, sie anzuzünden. „Nie werde ich mir erlauben, in ihrer Gegenwart zu rauchen“, das war seine Antwort.


(Aus: die katholischen Missionen, 1912)

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