Armenisch-katholische Bischöfe und Klerus in Jerusalem (wohl 1893 zum eucharistischen Kongress, Patriarch in der Mitte mit römischem Pallium) |
Da die Armenier in ihrer altehrwürdigen Liturgie — sie reicht mindestens bis ins fünfte Jahrhundert hinauf — noch dem Julianischen Kalender folgen, so fällt gegenwärtig ihr Weihnachtsfest mit unserem 6. Januar, dem Feste der heiligen drei Könige, zusammen.
Am Abend des 24. Dezember armenischer Zeitrechnung wird um 11 Uhr die festlich geschmückte Kirche für die Gläubigen geöffnet. In jeder armenischen Kirche stehen im Heiligtum vor dem Altar zwei Paare durch einen halbkreisförmigen Eisenstab verbundener Säulen.
An jedem der beiden Eisenstäbe ist ein Vorhang, der nach einer Seite aufgeht, befestigt. Ist der untere Teil aufgezogen, so ist der äußere Vorhang am vorderen Säulenpaar rot, der innere ist weiß und von sehr leichtem Stoff.
Diese Vorhänge kommen übrigens nur beim feierlichen Hochamt zur Verwendung. Das ganze Heiligtum ist mit einem großen türkischen Teppich belegt. Eine Anzahl Lampen hängen von den Gewölben herab; sie dienen aber nicht zur Beleuchtung der Kirche, sondern bloß zum Schmuck und zur Förderung der Andacht.
Indes ist es vor allem der Hochaltar, welcher die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Auf den zahlreichen Stufen, die zum Tabernakel emporführen, brennen viele Lichter, und auf der obersten Stufe liegt mitten in reichem Blumenschmuck das Bild des Jesuskindes, und bleibt daselbst bis Mariä Reinigung.
Der Gottesdienst beginnt genau nachts 12 Uhr mit Absingen der Matutin und Laudes. Während der Matutin, die bis etwa 2 Uhr dauert, ist der Klerus schwarz gekleidet.
Vor Beginn der Laudes zieht die Geistlichkeit die von der im Abendland üblichen ziemlich verschiedene Chorkleidung an. Sie besteht nämlich in einem aus dickem Stoff gefertigten, meist roten Chorhemd, worüber noch ein dem Chorkragen (Mozetta) der Lateiner ähnliches Kleidungsstück getragen wird.
Dieses ist an Farbe vom Chorhemd stets verschieden; wie am römischen Messgewand ist auf der Rückenseite ein Kreuz hineingewirkt, ebenso sind zwei kleine Kreuze vorne zu beiden Seiten der Brust. Die assistierenden Priester tragen Messgewänder von der Form der abendländischen Rauchmantel.
Nun beginnen die Laudes; gegen Ende derselben verlassen alle auf ein gegebenes Zeichen das Heiligtum und kommen unter Vorantragung des Kreuzes in Prozession ins Mittelschiff. Hier hält der Zug, und alle ordnen sich in einen großen Kreis.
Nachdem der Diakon den Zelebranten, welcher in der Regel der Bischof selbst ist, dreimal inzensiert hat, stimmt er einen Hymnus an, der Segenswünsche für die vier Weltgegenden ausspricht. Hierauf wendet er sich nach den vier Himmelsrichtungen und liest vier Evangelienabschnitte, welche über die Geburt des Heilands und die verschiedenen Umstände bei derselben berichten, worauf jedes Mal ein auf das betreffende Geheimnis sich beziehender Lobgesang folgt.
Den Gesang begleitet aber keine Orgel, sondern es erschallen in einem fort Zymbeln und andere aus Bronze oder Messing gefertigte Instrumente, die man Zniska heißt; es sind dies zwei hohle Halbkugeln, mit eisernem Handgriff verbunden, welche aneinandergestoßen oder auch mit eisernen Stäbchen geschlagen werden.
Der nach allen vier Weltgegenden erteilte Segen beschließt die Laudes. Inzwischen ist es etwa 3 Uhr geworden, und das Hochamt beginnt.
Das Privileg, am heiligen Weihnachtstag drei Messen zu lesen, hat man im Orient nicht. Die heutige Messe unterscheidet sich nicht von den Messen anderer Tage nach armenischem Ritus; der Hauptunterschied zwischen dieser und der Messe des römischen Messbuchs liegt in folgendem: Das Credo wird vom Diakon allein gesungen, das Offertorium und das Paternoster dagegen vom ganzen Chor. Nach dem Paternoster geht der Zelebrant herum und zeigt dem Volke den hochheiligen Leib und das kostbare Blut des Herrn im Kelche zur Anbetung und erteilt hernach damit vom Altar aus den sakramentalen Segen.
Die armenische Messe enthält mehr Gesänge als die lateinische, sie werden alle auswendig nach altüberlieferten Melodien vorgetragen. — Der oben erwähnte rote Vorhang ist vom Ende des Introitus bis zur Epistel, der innere weiße während der Kommunion des Priesters geschlossen; letzterer ist übrigens von so feinem Zeug, dass der Zelebrant doch sichtbar bleibt. Nachmittags hält man Vesper und Segen wie in Europa.
Das ist die Christtagsfeier der armenischen Kirche. Auch die schismatischen Armenier beobachten ganz dieselben.
(Aus: die katholischen Missionen, 1890)
Allen Lesern wünsche ich gesegnete Weihnachten!
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