koptisch-katholischer Patriarch Kyrillos Makarios (früher auch Macaire) |
Im Bulletin du Séminaire Oriental 1904 (S.62), dem Organ der ehemaligen
geistlichen Zöglinge der Jesuiten in Beirut, macht ein junger koptischer Priester
(Franz Bistauros, Dr. theol.) einige bemerkenswerte Mitteilungen, die uns einen
kleinen Einblick in die seelsorgliche Praxis der orientalischen Kirche geben.
Wir erfahren da, dass hier der Katechismusunterricht und die
öffentliche Christenlehre im Allgemeinen unbekannte Dinge sind. Darin dürfte neben dem mangelhaften
Schulunterricht der Hauptgrund der großen religiösen Unwissenheit unter den
orientalischen Christen zu suchen sein.
Es ist eine Frucht der Erziehung in Beirut, dass auch nach dieser Hinsicht allmählich eine Besserung eintritt. In Beirut hatte Dr. Bistauros den Wert und Nutzen der Christenlehre unter den armen Kindern und der Arbeiterbevölkerung Beiruts praktisch kennen und schätzen gelernt. Er beschloss, dieselbe in der Patriarchalkirche zu Kairo, wo er jetzt angestellt ist, einzuführen.
Sein Plan fand bei dem eifrigen Patriarchen Macaire freudig Zustimmung.
Um das Volk zu gewinnen und anzuziehen, wollte Se. Seligkeit den Christenlehren
sogar persönlich beiwohnen. Das zog; bald hatte der junge Priester
allsonntäglich eine zahlreiche Zuhörerschaft.
Die anfängliche Überraschung über
diese ganz ungewohnte Lehrweise ging rasch in Bewunderung über. „Heute ziehen
die Leute die Christenlehre jeder Predigt vor.“ Dr. Bistauros hatte
Gelegenheit, bei Besuchen und Unterredungen den Eindruck zu beobachten, den
diese einfache katechistische Erklärung der Glaubenswahrheiten auf die Leute
machte.
„Ich hatte immer gemeint“, sagte eine gute Alte, „dass der Katechismus
höchstens für Kinder sei; ich finde aber, dass er die beste Predigt ist.“ –
„Ja, ja“, fügte eine andere bei; „hast du nicht gesehen, dass Se. Seligkeit der
Patriarch ihre beigewohnt hat. Er hat sicherlich selbst das Buch verfasst, das
man dabei benützt. Man braucht nur zu hören, wie schön er alles erklärt und wie
fasslich er alles macht. Das ist nicht wie ein gewöhnlicher Katechismus; der
ist gründlich, und es sind gar schöne Geschichten darin.“
In höheren Kreisen urteilte man anfangs anders. „Mir will scheinen“,
meint eine Dame, „der Patriarch vergesse, dass er Patriarch ist.“ – „Warum
denn, Madame?“ – „Ich habe gehört, dass er allsonntäglich der Christenlehre
beiwohne, das scheint mir doch eines Patriarchen unwürdig.“ – „Wieso denn; der
Katechismus ist doch eine heilige Sache. Waren Sie übrigens dabei, um die Sache
beurteilen zu können?“ – „Nein, ich war selbst nicht da, aber ich weiß doch,
dass so etwas nur für die kleinen Kinder ist.“ – „Nun, und wenn dem so wäre,
ist der Patriarch denn größer als Christus, unser Herr? Was hat der aber drei Jahre
hindurch andres getan, als Christenlehre gehalten?“ – „Ist dem wirklich so?“ –
„Gewiss, kommen Sie nur und sehen Sie selbst.“
Eine Woche später traf Bistauros
die Dame wieder. Sie sagte ganz begeistert: „Die Christenlehre war die beste
Predigt, die ich je gehört. Das ist’s gerade, was ich mir wünsche. Ich habe
alles ohne Ausnahme verstanden, weil Sie dabei gerade so sprechen, wie man auch
sonst spricht.“
Nach der Segensandacht, mit welcher die Christenlehre jedes mal
schließt, kamen eines Tages drei Familienmütter in die Sakristei. Die erste
klagte ihr Leid, dass ihre drei erwachsenen Söhne so unwissend in der Religion
seien und noch nie gebeichtet hätten, weil sie davor Angst hätten.
Nun habe sie
in der Christenlehre gehört, wie leicht das Beichten sei. Wären doch nur ihre
Jungen dabei gewesen! Sie solle sie schicken, lautete die Antwort. Sie kamen,
und nach kurzer Zeit machten alle drei ihre erste Beicht.
Die zweite Frau
brachte ihre beiden Kinder, die bisher in die protestantische Schule gegangen waren.
Die Katechese hatte ihr klar gemacht, auf welchem Weg man sicher zum Heil
komme.
Die dritte sagte, sie könne am nächsten Sonntag nicht kommen, Bistauros
möge ihr doch jetzt schon die Antwort auf die Frage geben, deren Erklärung er
für den nächsten Sonntag angekündigt habe. Es war die Frage über die Art, eine
vollkommene Reue zu erwecken.
Auf den ausdrücklichen Wunsch des Patriarchen hatte Bistauros mit dem
Bußsakrament begonnen. Überall hörte er die Leute sagen: „O, Sie haben unsere
Gewissen so erleichtert. Gott erhalte Sie noch lange Ihrer Mutter!“
Kurz, die Christenlehre hatte eingeschlagen und ihre Früchte zeigten
sich bald auch in dem häufigeren Empfang der heiligen Sakramente. Was hier in
Kairo mit solchem Erfolg begonnen wurde, müsste auch anderwärts Nachahmung
finden, nicht bloß bei den Kopten, sondern auch bei den anderen orientalischen
Kirchen.
„Der Religionsunterricht in den Schulen in Form von Christenlehren“, so
schrieb neuerdings auch P. Galland O.P. aus Wan in Armenien, „der eine bis
dahin diesen Ländern der Häresie und der religiösen Unwissenheit ganz
unbekannte Neuheit ist, gibt uns die Gewähr, dass allmählich ein Geschlecht
heranwächst, das seinen Glauben wirklich kennt und von echt katholischem Geist
durchdrungen ist.“
Nur so wird dies Geschlecht auch gefeit sein gegen die Bekehrungsversuche
der protestantischen Sekten, denen die religiöse Unwissenheit zumal der
schismatischen Volksteile nur allzu viel Vorschub leistet.
(Aus: die katholischen Missionen, 1905)