Aleksei Zerchaninov (im Text Alexius Zierczoninow), russisch-katholischer Priester. Eine zeitlang war er Sekretär des ersten russisch-katholischen Exarchen, dem seligen Leonid Feodorov, und starb unter den Sowjets in der Verbannung. |
Unter den vielen, die in letzter Zeit im eigentlichen Zarenreich zur
katholischen Kirche zurückkehrten Priestern befinden sich auch mehrere
ausgezeichnete Geistliche.
Der eine von ihnen, der hochw. Herr Hondru, war als
Mönch auf dem Berg Athos zum Priester geweiht worden und hatte als Missionär
der Staatskirche gewirkt. Er trat 1905 zur Mutterkirche über und erhielt auf
seine Bitte ausnahmsweise die Erlaubnis, zugleich den lateinischen Ritus anzunehmen,
um ungehinderter als Seelsorger wirken zu können. Er ist jetzt Pfarrer zu
Ismail im Süden Bessarabiens dicht an der rumänischen Grenze.
Auch die beiden
Seelsorger der russischen Konvertitengemeinde in Petersburg, die hochw. Herrn
Alexius Zierczoninow (siehe Bild) und Eustachius Susatow sind Konvertiten. Ihre
Gemeinde besteht aus russischen
Katholiken, die auch nach ihrem Übertritt den slawischen Ritus beizubehalten
wünschten. Trotzdem sie nur eine kleine Kapelle haben, hat der kirchliche
Staatsanzeiger nicht verfehlt, wiederholt auf die hier drohende Gefahr
hinzuweisen.
Diesen russischen Priesterkonvertiten mag noch beigezählt werden der
hochw. Herr Alexander Sipiagin, ein Neffe des gleichnamigen vor einigen Jahren
ermordeten Unterrichtsministers und Mitglied der ersten Duma. Nach deren
Auflösung und nach dem Tod seiner Frau wurde Sipiagin katholisch, studierte in
Innsbruck und Rom Theologie, empfing 1909 von Bischof Keßler von Tiraspol die
Priesterweihe und ist gegenwärtig am Knabenseminar in Saratow tätig.
Die Zahl dieser russischen Priesterkonvertiten würde viel größer sein,
wenn nicht der Übertritt mit so großen Schwierigkeiten und Opfern verbunden
wäre, zu deren Überwindung ein ganz ungewöhnlicher Mannesmut gehört.
Wie die Gewissens- und Religionsfreiheit in Russland verstanden wird,
haben wir früher wiederholt beleuchtet. Hier einige weitere Belege.
Im November 1909 wurden im Gouvernement Korno der hochw. Bischof
Cyrtowt und etwa 300 seiner Geistlichen in Anklagezustand versetzt, weil sie
die 1905 durch das Ministerium vorgeschriebenen Formalitäten bei der Aufnahme
staatskirchlicher Russen in die katholische Kirche nicht erfüllt hätten.
Diese Formalitäten haben einzig den Zweck, die durch den kaiserlichen
Ukas im April 1905 gewährte Religionsfreiheit in willkürlichster Wiese zu
beschränken, und werden selbst von rechtlich denkenden Beamten als ungerechte
Schikanen empfunden.
So hatten denn auch die Behörden von Korno die
Nichtbeachtung jener Formalitäten ruhig hingehen lassen. Sie richteten jetzt an
den Minister des Innern ein Gesuch, von der gerichtlichen Verfolgung der
katholischen Geistlichen absehen zu wollen, leider umsonst.
Wie gehässig man
vielfach vorgeht, dafür nur ein Beispiel. In einer mittelrussischen Stadt
wollte ein armes jüdisches Mädchen katholisch werden. Aber wegen Erledigung der
beim Ministerium des Innern zu erfüllenden Formalitäten musste die Taufe fast
sieben Monate lang hinausgeschoben werden.
Kurz vor der Taufe wurde das Mädchen
aus der Stadt ausgewiesen mit dem Bedeuten, es habe als Jüdin kein Recht,
daselbst zu wohnen.
Während die russische Staatskirche und Bürokratie so alles
aufbieten, der katholischen Kirche die Freiheit zu verkürzen, lässt sie dem
Protestantismus ziemlich freie Hand, und derselbe treibt, durch eine geschickt
redigierte Presse unterstützt, fast ungestört seine Propaganda.
Der russische ‚Evangelische
Bund‘ besitzt schon fünf russisch geschriebene Zeitungen, verfügt über reiche
Fonds und über drei in seinem Dienste stehende Verlagsbuchhandlung.
Diese Propaganda ist umso aussichtsvoller, da die russische
Staatskirche wenigstens in den Städten beim Volk immer mehr an Einfluss und
Ansehen verliert. „Unsere Kirchen“, so klagt unlängst die „Nowje Wremja“, „sind
und bleiben leer, in manchen fehlt es an Priestern, und wo solche da sind,
fehlt das Volk. Im Jahr 1909 brachen in 22 russischen Seminarien abermals
Unruhen aus und zwangen dazu, sie zu schließen und die aufständischen jungen
Herrn zu entlassen. Armes Russland!
(Aus: die katholischen Missionen, 1910)