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Mittwoch, 12. Februar 2014

Übertritt von russisch-orthodoxen Priestern zur katholischen Kirche und Schikane von Seiten des Staats

Aleksei Zerchaninov (im Text Alexius Zierczoninow), russisch-katholischer Priester. Eine zeitlang war er Sekretär des ersten russisch-katholischen Exarchen, dem seligen Leonid Feodorov, und starb unter den Sowjets in der Verbannung.

Unter den vielen, die in letzter Zeit im eigentlichen Zarenreich zur katholischen Kirche zurückkehrten Priestern befinden sich auch mehrere ausgezeichnete Geistliche. 
Der eine von ihnen, der hochw. Herr Hondru, war als Mönch auf dem Berg Athos zum Priester geweiht worden und hatte als Missionär der Staatskirche gewirkt. Er trat 1905 zur Mutterkirche über und erhielt auf seine Bitte ausnahmsweise die Erlaubnis, zugleich den lateinischen Ritus anzunehmen, um ungehinderter als Seelsorger wirken zu können. Er ist jetzt Pfarrer zu Ismail im Süden Bessarabiens dicht an der rumänischen Grenze. 

Auch die beiden Seelsorger der russischen Konvertitengemeinde in Petersburg, die hochw. Herrn Alexius Zierczoninow (siehe Bild) und Eustachius Susatow sind Konvertiten. Ihre Gemeinde besteht  aus russischen Katholiken, die auch nach ihrem Übertritt den slawischen Ritus beizubehalten wünschten. Trotzdem sie nur eine kleine Kapelle haben, hat der kirchliche Staatsanzeiger nicht verfehlt, wiederholt auf die hier drohende Gefahr hinzuweisen.

Diesen russischen Priesterkonvertiten mag noch beigezählt werden der hochw. Herr Alexander Sipiagin, ein Neffe des gleichnamigen vor einigen Jahren ermordeten Unterrichtsministers und Mitglied der ersten Duma. Nach deren Auflösung und nach dem Tod seiner Frau wurde Sipiagin katholisch, studierte in Innsbruck und Rom Theologie, empfing 1909 von Bischof Keßler von Tiraspol die Priesterweihe und ist gegenwärtig am Knabenseminar in Saratow tätig.
Die Zahl dieser russischen Priesterkonvertiten würde viel größer sein, wenn nicht der Übertritt mit so großen Schwierigkeiten und Opfern verbunden wäre, zu deren Überwindung ein ganz ungewöhnlicher Mannesmut gehört.

Wie die Gewissens- und Religionsfreiheit in Russland verstanden wird, haben wir früher wiederholt beleuchtet. Hier einige weitere Belege.
Im November 1909 wurden im Gouvernement Korno der hochw. Bischof Cyrtowt und etwa 300 seiner Geistlichen in Anklagezustand versetzt, weil sie die 1905 durch das Ministerium vorgeschriebenen Formalitäten bei der Aufnahme staatskirchlicher Russen in die katholische Kirche nicht erfüllt hätten.

Diese Formalitäten haben einzig den Zweck, die durch den kaiserlichen Ukas im April 1905 gewährte Religionsfreiheit in willkürlichster Wiese zu beschränken, und werden selbst von rechtlich denkenden Beamten als ungerechte Schikanen empfunden. 
So hatten denn auch die Behörden von Korno die Nichtbeachtung jener Formalitäten ruhig hingehen lassen. Sie richteten jetzt an den Minister des Innern ein Gesuch, von der gerichtlichen Verfolgung der katholischen Geistlichen absehen zu wollen, leider umsonst. 

Wie gehässig man vielfach vorgeht, dafür nur ein Beispiel. In einer mittelrussischen Stadt wollte ein armes jüdisches Mädchen katholisch werden. Aber wegen Erledigung der beim Ministerium des Innern zu erfüllenden Formalitäten musste die Taufe fast sieben Monate lang hinausgeschoben werden. 
Kurz vor der Taufe wurde das Mädchen aus der Stadt ausgewiesen mit dem Bedeuten, es habe als Jüdin kein Recht, daselbst zu wohnen. 

Während die russische Staatskirche und Bürokratie so alles aufbieten, der katholischen Kirche die Freiheit zu verkürzen, lässt sie dem Protestantismus ziemlich freie Hand, und derselbe treibt, durch eine geschickt redigierte Presse unterstützt, fast ungestört seine Propaganda. 
Der russische ‚Evangelische Bund‘ besitzt schon fünf russisch geschriebene Zeitungen, verfügt über reiche Fonds und über drei in seinem Dienste stehende Verlagsbuchhandlung.

Diese Propaganda ist umso aussichtsvoller, da die russische Staatskirche wenigstens in den Städten beim Volk immer mehr an Einfluss und Ansehen verliert. „Unsere Kirchen“, so klagt unlängst die „Nowje Wremja“, „sind und bleiben leer, in manchen fehlt es an Priestern, und wo solche da sind, fehlt das Volk. Im Jahr 1909 brachen in 22 russischen Seminarien abermals Unruhen aus und zwangen dazu, sie zu schließen und die aufständischen jungen Herrn zu entlassen. Armes Russland!


(Aus: die katholischen Missionen, 1910)