Matthew Gibney, Bischof von Perth (+1925) |
Während in Tasmanien die Ausrottung der Ureinwohner schon seit
Jahrzehnten zur vollendeten Tatsache geworden, führt man auf dem
westaustralischen Festland den Vernichtungskrieg gegen die einheimische Rasse
unerbittlich weiter.
Allerdings erheben in allerneuster Zeit die
einflussreichsten englischen und australischen Blätter entschieden ihre Stimme
gegen eine aller Zivilisation hohnsprechende Behandlung der Eingeborenen.
Tatsachen werden an die Öffentlichkeit gebracht, denen gegenüber die
maßgebenden Behörden nicht mehr länger das Auge zudrücken können. Offizielle
Dementis finden bei dem Publikum keinen Glauben mehr, und so besteht die
Hoffnung, dass wirksame Maßnahmen gegen die Ausrottung der hilflosen Rasse
ergriffen werden.
Als einer der Hauptankläger, dessen Ansehen auf die
öffentliche Meinung den gewichtigsten Einfluss ausübt, tritt Bischof Gibney von
Perth auf. „Niemand ist berufener als er“, meint der Western Australian Record,
„in der Eingeborenenfrage ein Wort mitzusprechen. Er hat unter den wildesten
Stämmen gelebt; er ist in Gegenden vorgedrungen, wohin bis jetzt kein Weißer
sich hingewagt, ohne bis an die Zähne bewaffnet zu sein; er hat ihre Lage und
ihre Bedürfnisse studiert wie kein zweiter.“
Bischof Gibney lässt sich in
seiner Anklage von den lautersten Beweggründen leiten. Weder persönliche
Freundschaft noch politische Rücksichten hielten ihn ab, die Dinge so
darzulegen, wie er sie gefunden, und so erhebt sein Zeugnis den Anspruch auf
unbedingte Glaubwürdigkeit.
„Mein Blut kocht in mir“, schreibt der australische
Kirchenfürst, „wenn ich an die Grausamkeiten denke, welche durch unsere
Gefängnisbehörden verübt werden. Die Behandlung, welcher die Eingeborenen in
den Gefängnissen von Broome und Derby wegen der ihnen aufgebürdeten Verbrechen
des Diebstahls eines Schafes oder wegen einer Desertion unterworfen wurden,
wären nach der Meinung eines jeden, der noch an eine göttliche Gerechtigkeit
auf Erden glaubt, hinreichend, den Fluch auf das ganze Land herabzuziehen.
Verurteilt
zu 3, 6 oder 12 Monaten Gefängnis, sind diese unglücklichen Geschöpfe Tag und
Nacht in Eisen und Fesseln geschlagen. So arbeiten sie auf offener Landstraße
in der blasentreibenden Hitze der tropischen Sonne, am Hals und an den Beinen
aneinander gekettet.
Als sie so dasaßen, Steine klopfend, konnte ich ihre durch
Hitze und Ketten hervorgerufenen Hitzblasen auf ihrem Nacken sehen. Und selbst
wenn die armen Menschen völlig erschöpft hinsanken, wurden sie nicht von ihren
Fesseln befreit; erst der Tod erlöste sie davon. Das ist der Anteil an der
Zivilisation, welchen die ‚dienenden Geister‘ (Beamte) des Nordens den
Küstenstämmen bringen.
Was Wunder, wenn heute in der Umgebung der Städte an der
Nordwestküste kaum noch die Hälfte von der schwarzen Bevölkerung übrig
geblieben ist, die zur Zeit der ersten Ansiedlung hier wohnte.“ Und wie und auf
welche Gründe hin füllen die Behörden ihre Zuchthäuser? Von den vielen
haarsträubenden Begebenheiten nur eine.
Ein gewisser Ansiedler (squatter), der an der Küste eine große Zahl
Eingeborener beschäftigt, trieb einst Hornvieh ins Innere. Eine Zahl
Eingeborener und Chinesen begleiten ihn. Bei seiner Rückkehr führte er 20
Gefangene mit sich und davon über die Hälfte Mädchen, um damit seine
angestellten jungen Leute zu versorgen und sie so zu hindern, seinen Dienst zu
verlassen.
Die Gefangenen waren zwar nicht gefesselt, aber von den Eingeborenen
und Chinesen so umringt, dass sie nicht entwischen konnten.
Ein Weißer, der
durch das Lager kam, sah noch die Spuren eines Kampfes, der die Nacht zuvor mit
Angehörigen, dessen Männer und Frauen geraubt worden, stattgefunden hatte.
Dieselben waren den Räubern gefolgt, um ihre Stammesgenossen zu befreien. Der
Farmer hatte bei dieser Gelegenheit einen Speer in den Arm erhalten; einige
Reitsattel, welche man in Erwartung eines Angriffs zur Täuschung als
Strohpuppen hingelegt hatte, waren mit Speeren überschüttet und einige
eingeborene Arbeiter bei dem Überfall getötet worden.
Man drängte den
unliebsamen Zeugen zur Weiterreise; aber er hatte genug gesehen, um
festzustellen, dass dieser Frauenraub nur einer von den vielen sei, zu deren
Kenntnis er während seines langen Aufenthalts im Norden gekommen war.
Und nun
der Ausgang der Sache! In die Stadt zurückgekehrt, meldete der Farmer der
Polizei, er, seine Leute und sein Vieh seien von den Schwarzen überfallen
worden. Natürlich fand er Glauben. Auf seine Aussage hin wurde einige Zeit
nachher eine Anzahl Eingeborener unter dem Vorwand, sie seien mitschuldig an
dem Überfall, festgenommen und zur Strafe mehrere Monate lang an den
Schubkarren geschmiedet.“
Angesichts solcher Tatsachen hatte sich Bischof Gibney schon früher
klagend an die Königliche Kommission gewandt, jedoch vergeblich. Vorgekommene „Unregelmäßigkeiten“
wurden bemäntelt und die eingeleitete Untersuchung niedergeschlagen. „Ist aber
diese Vertuschungspolitik auch heute noch am Platze?“ fragt der Kirchenfürst. „Erregen
nicht die schönfärberischen Berichte der Regierungsbeamten den begründeten
Verdacht, dass sie selbst Mitschuldige an ähnlichen Vorkommnissen sind?“
Gewiss
gäbe es unter den Ansiedlern unbescholtene Leute; viele aber schienen das
Naturgesetz: „Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst
nicht stehlen“, kaum zu kennen. Als Haupt der katholischen Kirche in diesem
Staate könne er nicht länger stillschweigend zusehen, wie Tausende armer
Eingeborener, die doch ein besonderes Anrecht auf den Schutz der Regierung
hätten, an Leib und Seele zu Grunde gerichtet würden.
Der Bischof rät sodann
die Einführung von Reservationen für die Eingeborenen an. Dieses System sei von den Vereinigten Staaten
schon lange angenommen worden und habe den Indianer ungeheure Vorteile gebracht
(?).
Auf diese Weise werde dieses Brandmal der Schmach und Schande von
Nordwest-Australien verschwinden. Aber derjenige, welcher den Titel „Beschützer
der Eingeborenen“ führe – er meint damit den mit der Eingeborenenfrage
betrauten Regierungskommissär -, dürfe dann nicht hinter dem grünen Tische in
der Hauptstadt sitzen bleiben, sondern müsse in das Herz der Kolonie vordringen
und mit dem Eingeborenen selbst in lebendige Berührung kommen.(…)
(Aus: die katholischen Missionen, 1904)