Als ich (von
Marseille) zu Lande abreisen wollte, lud mich ein Edelmann ein, ihn bis
Narbonne zur See zu begleiten. Wetter und Wind waren günstig, so dass wir an
einem Tag Narbonne erreichen konnten; daher nahm ich die Einladung an. Aber
Gott gestattete, dass drei türkische Brigantinen, welche im Golf von Lion
christlichen Schiffen auflauerten, auf uns Jagd machten und uns so heftig
angriffen, dass zwei oder drei Passagiere getötet und alle anderen verwundet
wurden; auch ich erhielt einen Pfeilschuss, der mir zeitlebens als
Wetterprophet dienen wird. Wir mussten uns ergeben, unser Steuermann wurde in
Stücke gehauen, weil die Türken bei ihrem Angriff einen ihrer Anführer und vier
oder fünf Galeerensklaven verloren hatten. Nachdem man uns oberflächlich
verbunden hatte, legten sie uns in Ketten und setzten ihren Raubzug fort; nach
sieben oder acht Tagen aber segelten sie, zufrieden mit der gemachten Beute,
nach ihrer Räuberhöhle (Tunis) zurück. Dort gab man vor, man habe uns auf einem
spanischen Schiff gefangen genommen, damit der französische Konsul keinen
Anlass habe, uns zu befreien, und stellte uns dann zum Verkauf aus.
Dabei ging es
so zu: Anstatt unserer eigenen Kleider erhielten wir einen Sklavenanzug, und
mit einer Kette um den Hals führte man uns durch einige Straßen der Stadt
Tunis. Dann kehrten wir zum Schiff zurück, und die Kaufleute kamen dorthin, um
zu sehen, wer essen könne und wer nicht, damit sie erkannten, dass unsere
Wunden nicht gefährlich seien. Darauf endlich führte man uns auf den Markt, und
hier untersuchte man uns, wie man ein Pferd oder ein Rind beim Verkauf
untersuchen würde. Man ließ uns den Mund öffnen und besah unsere Zähne,
befühlte unsere Glieder, wir mussten gehen, laufen, Lasten heben, ringen und
tausend andere Brutalitäten uns unterziehen, um unsere Kräfte erkennen zu
lassen.
Ich wurde an
einen Fischer verkauft; allein da ich nichts so wenig ertragen kann als das
Meer, musste dieser mich bald wieder verkaufen, und ich kam jetzt an einen
Arzt, einen sehr menschenfreundlichen und milden Mann, welcher, wie er mir
sagte, schon 50 Jahre nach dem Stein der Weisen suchte, ohne ihn zu finden. Meine
Beschäftigung bestand darin, unter zehn bis zwölf Öfen das Feuer zu
unterhalten. Er liebte mich sehr und sprach gern mit mir über die Alchemie,
noch lieber aber über sein Gesetz, zu welchem er mich mit aller Gewalt
hinüberzuziehen suchte, indem er mir viele Reichtümer und die Mitteilung seiner
ganzen Wissenschaft versprach: Gott aber hielt mich aufrecht durch die Hoffnung
auf meine Befreiung, die ich in vielen Gebeten durch die Fürsprache der
allerseligsten Jungfrau erflehte.
Bei diesem
Arzt war ich vom September 1605 bis zum August 1606; dann wurde er zum Sultan
nach Konstantinopel berufen, er starb aber auf der Reise. Er hinterließ mich
seinem Neffen, der mich jedoch auch bald wieder verkaufte und zwar an einen
sizilianischen Renegaten (ein zum Islam abgefallener Katholik).
Dieser führte mich ins Gebirge auf sein Tomat – d. h. sein Landgut, das er vom
Großherrn zur Pacht hatte, denn das Volk hat kein Grundeigentum; alle Äcker
gehören dem Sultan.
Der Renegat
hatte drei Frauen, und der einen von ihnen, einer Türkin, bediente sich die
Barmherzigkeit Gottes, um ihren Ehemann in die Kirche zurückzuführen und mich
aus der Gefangenschaft zu befreien. Neugierig, wie sie war, wollte sie die
christliche Lebensweise kennenlernen; daher kam sie täglich aufs Feld, wo ich
graben musste, und nach vielen Fragen befahl sie mir, das Lob meines Gottes zu
singen. Die Erinnerung an das „Wie sollen wir singen im fremden Lande“ der
gefangenen Juden in Babylon bewog mich, mit Tränen im Auge den Psalm Super
flumina Babylonis (An den Flüssen Babylons sangen wir und weinten usw.)
anzustimmen, dem ich das Salve Regina und andere Lieder folgen ließ. Sie fand
an diesen Gesängen ein unsägliches Vergnügen, so dass sie am Abend ihrem Mann
sagte, er habe Unrecht daran getan, seine Religion zu verlassen; sie habe dieselbe
hochschätzen gelernt durch das, was ich ihr vorgesungen; sie sei dabei vor
Entzücken außer sich geraten, und sie glaube nicht, dass das Paradies, das sie
erwarte, ihr größere Freude gewähren könne, als die gewesen sei, welche sie bei
meinem Gesang empfunden habe.
Diese Worte machten auf ihren Mann solchen
Eindruck, dass er mir am folgenden Tage sagte, er warte nur auf eine günstige
Gelegenheit, um mit mir nach Frankreich zu fliehen. Die Gelegenheit bot sich
aber erst nach zehn Monaten; auf einem kleinen Kahn entkamen wir und am 28.
Juni 1607 landeten wir in Aiguesmortes, von wo wir wenige Tage später uns nach
Avignon begaben. Hier nahm der päpstliche Vizelegat den Renegaten wieder in die
Kirche auf.“
(Aus: die katholischen Missionen, 1878)
(Aus: die katholischen Missionen, 1878)
Später gründete der hl. Vinzenz die Congregatio Missionis, die Kongregation der Missionen, besser bekannt als Lazaristen oder Vinzentiner, die wiederum heilige Missionäre, darunter auch Märtyrer, hervorbrachte, so z. B. den hl. Justin de Jacobis, den Apostel Äthiopiens (Teil 1, Teil 2, Teil 3) sowie den heiligen Märtyrer Jean-Gabriel Perboyre, der in China für den Glauben starb (hier).