Endlich gehen uns über den Tod des P. Johann
Baptist Wehinger einige nähere Nachrichten zu. Er starb in dem Aussätzigenheim
St. John bei Mandalay am 6. September 1903, erst 39 Jahre alt. Geboren zu Dornbirn
in Vorarlberg am 24. November 1864, trat Wehinger, etwa 24 Jahre alt, ins
Pariser Missionsseminar und kam bereits 1889 in die Mission von Birma.
Sein Hauptverdienst liegt in dem hingebenden
Eifer, mit welchem er das Los der zahlreichen Aussätzigen in Birma zu lindern
suchte. Das Aussätzigenspital St. John, eine Musteranstalt ihrer Art, ist ganz
und gar sein Werk. Er bettelte die Mittel zusammen, er brachte die Schwestern
hin, er gab dem Ganzen die treffliche Organisation und war die Seele der
Anstalt. Mehr noch, sein Beispiel hat das allgemeine Interesse für die
Aussätzigen geweckt, weitere Gründungen ähnlicher Art und eine Besserung der
Aussätzigenpflege in der britischen Kolonie bewirkt. Das wurde auch von der
englischen Regierung anerkannt. Namentlich hat der Vizekönig von Indien, Lord
Curzon, eine hohe Verehrung für den deutschen Apostel. Sie fand ihren Ausdruck
in der Verleihung eines Ordens und in wiederholten öffentlichen Erklärungen.
P. Wehinger kränkelte bereits seit längerer
Zeit. Am 15. August las er zum letzten Mal die heilige Messe. Ein bösartiges
Fieber zehrte mehr und mehr seine Kräfte auf. Die Liebe und Teilnahme der armen
Aussätzigen, seiner „Kinder“, deren Wohl er sich ganz geweiht hatte, zeigt sich
während der Krankheit und beim Hinscheiden in rührendster Weise. Sie beteten
mit größter Inbrunst um seine Genesung, und man musste ihnen die
Verschlimmerung des Zustandes verheimlichen, um sie zu schonen.
Als dann die Leiche nach der Todesnacht am
Morgen in der Kapelle aufgebahrt wurde, brach der Schmerz der Aussätzigen in
herzergreifender Weise hervor. Weinend, schluchzend, jammernd umstanden sie die
entseelte Hülle ihres Vaters und Wohltäters. Rasch drang die Todeskunde auch
nach Mandalay und die umliegenden Ortschaften, und den ganzen Tag wogte der
Strom der Besucher auf und ab. „Man kann wohl sagen, die Trauer war allgemein;
alle weinten beim Anblick der Leiche; man sah jetzt erst, was der gute Pater
ihnen alles gewesen war. Seine Liebe hatte sich auf jede Art der Not und des
Leidens erstreckt, und nie hatte er irgendeinen Liebesdienst verweigert. Die
Missionäre erklären einstimmig, dass sein Tod einen unersetzlichen Verlust für
die Mission von Birma bedeute.“
Die Leiche wurde in einen Sarg von Teakholz
gelegt und dieser von einem zweiten aus Zink mit vergoldetem Kreuz geborgen.
Die Aussätzigen wollten den Weg zum Grab mit Blumen bestreuen; man musste ihnen
klarmachen, dass diese Ehre dem eucharistischen Heiland vorbehalten sei. So
legten sie ihre Blumen auf den Sarg. Auch aus Mandalay, aus allen Klassen kamen
Blumenspenden, Kränze u. dgl., so dass der Sarg damit über und über bedeckt
wurde. Das Begräbnis war großartig und ergreifend schön. Trotz des strömenden
Regens kamen zahlreiche Kutschen angefahren. Vierzehn Missionäre waren
herbeigeeilt, um ihrem Mitbruder die letzte Ehre zu geben. Acht von ihnen
trugen den Sarg. Die Schulbrüder und Schwestern von Mandalay, die Waisenkinder,
auch viele angesehene Personen und vor allem die Aussätzigen folgten dem Zug laut
schluchzend und betend. Die Missionäre hätten ihn gern in der Kapelle begraben,
allein der hingeschiedene hatte ausdrücklich gewünscht, auf dem kleinen
Friedhof der Aussätzigen mitten unter seinen „Kindern“ zu ruhen.
Zum Nachfolger P. Wehingers ist P. Lason
ernannt, und er bittet in einem Brief an die Redaktion recht innig, dass doch
die Katholiken Deutschlands und Österreichs auch fürder das Werk des deutschen
Missionärs nicht vergessen möchten.
(Aus: die katholischen Missionen, 1904)