Unsere Leser werden gewiss in den Tagesblättern und Zeitschriften
dieser großartigen Kundgebung des katholischen Glaubens mit Spannung gefolgt
sein. Immerhin dürften einige Ergänzungen aus weniger zugänglichen Berichten
willkommen sein.
Ein nordamerikanischer Bischof, Msgr. de Goesbriand von Burlington
(Vermont), der an dem Kongress teilgenommen, nennt die Idee, den diesjährigen
Sitz dieser in ihrem Zweck und Wesen so schönen Versammlungen in die heilige
Stadt zu verlegen, einen von Gott eingegebenen Gedanken.
In der Tat „kann es
für eine solche Versammlung“, so schrieb der Heilige Vater in seinem
Zustimmungsbreve an den Bischof von Lüttich, den ständigen Vorsitzer des
Kongresses, „keinen geeigneteren Ort geben, als die heilige Stadt, in welcher
Christus der Herr jenes wunderbare Pfand der Liebe eingesetzt hat, und man kann
mit Recht erwarten, dass die Gläubigen des Orients mit neuem heiligen Eifer für
die Verehrung des allerheiligsten Sakraments erfüllt werden.“
Die Hoffnung auf die Wiedervereinigung der schismatischen Orientalen mit
der katholischen Kirche ist hier nicht direkt ausgesprochen, obschon dieser
Gedanke zweifellos im Hintergrund stand und auch die Gebete und Reden des
Eucharistischen Kongresses davon getragen waren.
Außerdem galt es, eine „neue
Belebung der Beziehung und des Gefühls der Zusammengehörigkeit mit den unierten
Kirchen der verschiedenen Riten herbeizuführen, und das ist in einer
hocherfreulichen Weise gelungen“.
Lassen wir uns von dem Berichterstatter des „Heiligen
Landes“ zunächst den Einzug des päpstlichen Delegaten, Sr. Eminenz des
Kardinal-Erzbischofs von Reims, Msgr. Langénieux, erzählen, der am 14. Mai
stattfand. Am Bahnhof ließen alle in Jerusalem vertretenen europäischen Mächte
den Kardinal durch ihre Kawasse begrüßen und machten ihm am folgenden Tag
persönlich ihre Aufwartung.
„Nach den Empfangsfeierlichkeiten stieg der Kardinal zu Pferde und ritt,
voran ein Musikcorps, welches aus Beirut herübergekommen war, von einer
unabsehbaren Menschenmenge begleitet, zum Jaffator.
Im Inneren der Stadt, nahe
dem Tore, hatte unter dem Baldachin der Patriarch von Jerusalem, Ludwig Piavi,
mit dem Weihbischof Pascal Apodia, seinem gesamten Klerus und den Seminaristen
des Priesterseminars Aufstellung genommen. Er war umgeben von den Patriarchen
und deren Generalvikaren der verschiedenen unierten Riten der Griechen,
Armenier, Maroniten, Chaldäer, Syrer, Bulgaren.
Aus Ägypten, vom Libanon her,
aus Mesopotamien, Armenien, aus dem nördlichen Syrien und Bulgarien waren sie
in den verschiedensten Trachten gekommen. Weiter standen hier Bischöfe aus Kanada,
Mexiko, England, Belgien, Italien, der Schweiz, sowie die Direktoren der
Pilgerhäuser in Jerusalem, namentlich des österreichischen und deutschen
Pilgerhauses, mit den Priestern aus Deutschland, welche zum Kongress gekommen
waren, alle mit Rochette bekleidet.
Es war ein Schauspiel, wie es wohl selten
in dieser Farbenpracht, Eigenart und Lebhaftigkeit zu sehen ist. Da stand das
aus mächtigen Quadersteinen erbaute Jaffator mit seinem mittelalterlichen
Zinnen, links daneben die Davidsburg, weiter links zurück der Sionsberg; die
Straßen waren dicht gedrängt von Menschen aus allen Nationen und Ländern mit
den buntesten und verschiedensten Trachten, wie nur der Orient sie kennt. Pechschwarze
Negergesichter, dunkle Arabergestalten, gelbe Judentypen, weiße Europäer, bis
tief hinein in die engen Gassen standen sie Kopf an Kopf.
Dort oben saßen
Araber mit ihren in der Luft baumelnden Beinen auf den Zinnen des Jaffatores
und auf der Plattform der Davidsburg.
Die Dächer und Balkone aller Häuser waren
von Zuschauern bis zur Gefahr des Einsturzes belastet. Musik erschallte, Fahnen
wehten, Evivas ertönten: Der Kardinal, feierlich einherschreitend, naht
sichtlich bewegt dem Patriarchen von Jerusalem. Derselbe hält seine
Begrüßungsrede; der Kardinal antwortet in einer begeisterten Ansprache mit dem
Hinweis auf die Aufgaben des Friedens, welche der Kongress zu lösen habe, und
auf die geistige Schönheit der Stadt Jerusalem, deren heilige Stätten er
betrete. Nun stimmt der Chor das Ecce
sacerdos magnus an. Wie lange mag das auf den Straßen Jerusalems nicht mehr
gesungen worden sein! Dann setzt sich der Zug in Bewegung, der Patriarch geht
neben dem Kardinal-Legaten unter dem Baldachin.
Der Legat segnet feierlich die
dichten Scharen, welche sich namentlich in den Querstraßen weit hinauf
aufgestellt haben. Das türkische Militär bildet ein weitgezogenes Spalier; die
Offiziere sind emsig beschäftigt, Ordnung zu halten. Und es gelingt musterhaft.
So bewegt sich der Zug unter fortwährendem Chorgesang die engen Gassen hinab
bis zur Kirche des Heiligen Grabes. Der türkische Tempelwächter steht
selbstbewusst und doch voll Erstaunen auf dem Tempelplatz.
Der Kardinal begibt
sich zu kurzer Verehrung in das heilige Grab und besteigt dann den vor dem
Katholikon der Griechen, deren Popen neugierig von oben herunterschauen,
aufgeschlagenen Thron. Umgeben von den Patriarchen und Bischöfen, erteilt er
den päpstlichen Segen, worauf er nach Ablegung der Pontifikalgewänder unter den
Klängen der Musikkapelle vom Klerus zu seiner Wohnung ins Patriarchat geleitet
wird.
Es hatte sich mit seinem Einzug ein Akt vollzogen, dem man seine
historische Bedeutung nicht absprechen kann. Seit sechs Jahrhunderten hat kein
Kardinal mehr die heilige Stadt betreten. Papst Pius IX. konnte erst wieder das
lateinische Patriarchat in Jerusalem errichten. Jetzt zog ein Kardinal-Legat
seines Nachfolgers mit allen Ehren, von tausenden Katholiken begleitet, in die
heilige Stadt. – Sion, freue dich!“
(aus: die katholischen Missionen, 1895)
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