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Montag, 21. Oktober 2013

Heidnische Grausamkeit gegen Aussätzige



Die Zeitungen brachten bereits die kurze Nachricht von der abscheulichen Niedermetzelung von 39 Aussätzigen durch die Behörde von Nanning in China. Nunmehr liegen mehrere Briefe von Missionären über die grausige Tat vor. 

„Der Schreckenstag“, heißt es in einem Brief vom 10. Januar an die „katholischen Missionen“, „war der 14. Dezember. Die Niedermetzelung geschah auf Anstiften des Adels und auf Befehl des Präsidenten der Provinz Kuangsi. Bei Anbruch des Tages umzingelten über 100 Soldaten den Ort außerhalb der Stadt Nanning, wo die unglücklichen Aussätzigen zusammenwohnten. Niemand konnte entweichen. 
Wie eine Herde Tiere wurden sie hinausgetrieben auf das Manöverfeld der Soldaten, wo sorgfältig eine Grube hergerichtet war. Auf dem Boden der Grube lag eine dichte Schicht Holz; eine Leiter führte hinunter. 
Ein Unglücklicher nach dem anderen musste die Leiter hinabsteigen; die Frauen waren sogar gezwungen, ihre Kinder mitzunehmen. Als alle in der Grube waren, erscholl das Kommando: ‚Cha!‘  - ‚Töte!‘ Die Gewehre knatterten, Schreckensrufe erfüllten die Luft. 
Dann wurde Petroleum auf die noch zuckenden Körper gegossen, und bald kündigte eine Feuergarbe an, dass Adel und Gelehrte den Sieg davongetragen hatten.“

Diese grausame Tat erscheint umso entsetzlicher, als die katholische Mission sich seit Jahren der verstoßenen Leute angenommen hatte. 
„Seit etwa 8 Jahren“, schreibt Bischof Ducoeur, „unterstützten wir die Aussätzigen, die einen Kilometer von den Vorstädten Nannings entfernt ein Leben der Verachtung und des größten Elends führten. Im verflossenen Jahr kaufte ich ein Grundstück und begann mit dem Bau eines Aussätzigenheimes. Die Handelsleute versprachen mir ihre Hilfe, und ich hoffte, es sei eine Kleinigkeit, von der Verwaltung die Erlaubnis zur Eröffnung dieser Stätte der Barmherzigkeit zu erlangen. Aber eines Tages erhielt ich ein Schreiben, dessen kurzer Sinn war: ‚Die Europäer sollen ihre Finger von den Aussätzigen lassen; wir werden selber eine Aussätzigenanstalt bauen.‘

Und bald darauf war auf Plakaten an den Stadttoren zu lesen: ‚Die Aussätzigen sind ein vom Himmel verworfenes Geschlecht. Es ist gottlos, sie zu unterstützen. Warum unnütz Geld verschwenden? Der Präsident von Kuangsi weiß nicht, woher das Geld zur Ernährung seiner Soldaten nehmen; die katholische Mission täte besser daran, der Regierung zu Hilfe zu kommen.‘

Diese aufreizenden Worte beunruhigten uns. Wir machten dem Präsidenten einen Besuch und legten Fürbitte für die Aussätzigen ein. Der hohe Herr lobte unseren edlen Sinn, billigte unsere Pläne und versprach sogar seine Hilfe zur Errichtung eines neuen Aussätzigenheimes in größerer Entfernung vor der Stadt. Einige Tage später schickte er den Stadtpräfekten zu uns, und auch dieser zeigte sich unserem Vorhaben äußerst gewogen.

Voll Vertrauen schauten wir in die Zukunft; da brachte man uns plötzlich die kaum glaubliche Nachricht: ‚Alle Aussätzigen sind niedergemacht.‘ Die Beamten hatten nur ein frevelhaftes Spiel mit uns getrieben.
Und was jetzt? Die Menschenjagd ist noch nicht zu Ende. Eben erst wieder wurde ein aussätziger junger Mann in seiner Familie ergriffen, auf das Manöverfeld geschleppt, erschossen und verbrannt.

Die Regierung ist stolz auf ihre Tat. In einer Proklamation heißt es: ‚Die Aussätzigen begehen abscheuliche Verbrechen und sind von allen gefürchtet. Sie benutzten ihre Krankheit, um Geld zu erpressen. 
Ich habe ihre Schandtaten dem Präsidenten gemeldet, und dieser gab Befehl, alle Aussätzigen umzubringen. Ich habe gehorcht, und nun sind wir für immer von ihnen befreit. Der allgemeinen Zustimmung des Volkes bin ich sicher.‘

Die Regierung von Nanning befindet sich im Irrtum. Sie hat sich das Zeugnis ausgestellt, dass sie noch tief in niederen Instinkten steckt und noch weit von jeder wahren Zivilisation ist. Wie sticht diese Tat
doch ab von der barmherzigen Liebe der katholischen Missionäre und Schwestern!“

(Aus: die katholischen Missionen, 1913)