Das wichtigste Gebet ist das Gebet um die Beharrlichkeit bis zum Ende. Siehe hier

Donnerstag, 19. Juni 2014

Heidnische Kälte gegen den aussätzigen Vater – katholische Nächstenliebe eines fremden Priesters


Gewiss werden sich unsere Leser noch des Aufsatzes über das Aussätzigen-Spital St. Johann bei Mandalay erinnern, wo wir nach den Mitteilungen des hochw. Herrn J. Wehinger die Not dieser Unglücklichen schilderten und zeigten, welch herrliches Feld sich hier der christlichen Liebe eröffnet. Sie muss hier umso eher eingreifen, da das Heidentum in kalter, grausamer Teilnahmslosigkeit an den Aussätzigen vorübergeht. Hören wir, was P. Wehinger darüber berichtet.

„Einmal bat ich auch einen reichen Heiden, der dort von der Welt hochangesehen war, recht innig um ein Almosen für die armen Aussätzigen. Wie lautete die Antwort dieses Noblen, was glaubst du wohl, lieber Leser? Höre und staune: ‚Von Herzen gern will ich ein Almosen für die Aussätzigen spenden; ich gäbe gern eine große Menge Arsenik [sic], um dieselben aus der Welt zu schaffen.‘
Nicht einmal unter den nächsten Angehörigen findet der arme Kranke ein teilnehmendes Herz. 

Dazu diene folgendes Beispiel: Der in der Pflege armer Aussätziger unermüdliche P. Martin macht in der Stadt wieder seinen gewöhnlichen Rundgang, um jene Kranken zu besuchen, welche eben aus Mangel an Platz und Hilfsmitteln im Asyl keine Aufnahme finden können. 

Dabei wurde er eines Tages aufmerksam gemacht, dass in einem ihm genau bezeichneten Haus ein schwerkranker Aussätziger ganz verlassen sei. P. Martin findet das Haus, ist erstaunt über seine Größe und reiche Verzierung und glaubt beim Anblick desselben sich verirrt zu haben, zumal er von innen lustige Gesänge und heitere Musik vernahm. ‚Hier ist kein Aussätziger,‘ denkt sich allen Ernstes P. Martin, ‚denn bei einem so leidenden Hausgenossen können die Einwohner nicht so lustig sein. Ich will aber einen der Hausleute fragen, wo sich der arme Aussätzige befinde.‘ 

Wie er aber sich der reich verzierten Veranda des Gebäudes näherte, sah er, dass in einem abgelegenen Teil des Gartens vor einem Strohhaufen sich etwas bewegte, und glaubte auch Jammerrufe zu vernehmen; er ging auf diese Stelle zu, und was musste er erblicken? Ein armes menschliches Wesen, mit dem Aussatz im höchsten Grad behaftet, kaum bekleidet, auf feuchter Erde herumkriechend. Schreckliche Geschwüre bedeckten seinen Körper. Ungeziefer aller Art vermehrte noch seine Schmerzen – ein Bild des größten Elends. Der arme Kranke bat in den rührendsten Worten um eine Handvoll Reis, um einen Trunk Wasser, um seinen schrecklichen Hunger und Durst zu stillen, da er schon über 30 Stunden gar nichts erhalten hatte.

Wer war dieser Unglückliche? Sicher wirst du meinen, lieber Leser, dass dieser Kranke ein alter, unbrauchbarer Diener des Hauses war, dem durch die Gnade seines Herrn dieses Plätzchen gestattet wurde. Du täuschest dich; jene, die sich einer ungezügelten Freude hingaben, waren die Kinder dessen, der unten im Elend schmachtete. Keines von seinen Kindern ließ sich je herbei, nach dem Vater zu schauen, geschweige ihm seine Geschwüre zu verbinden oder ihm mit eigener Hand Nahrung zu reichen und dabei ein tröstendes Wort zu sprechen; nein, sie ließen ihren eigenen Vater in seinen Schmerzen liegen, als wäre er ein ihnen unbekanntes Wesen. 

P. Martin, durch das schreckliche Elend dieses Kranken vom tiefsten Mitleid bewegt, pflegte ihn auf das liebevollste, tat alles, was er für den Augenblick tun konnte, und fühlte sich glücklich, ihm noch am Abend ein Plätzchen im Asyl verschaffen zu können. Wie dankbar blickte ihn der Aussätzige an, als ihm seine Geschwüre gewaschen, er vom Ungeziefer und den vielen Würmern so gut als möglich gereinigt, mit Speise und Trank gestärkt und auf trockenes Lager gebettet war!

‚Was bist du für ein Wesen,‘ stammelte der Arme, ‚dass du mich, einen ganz fremden Menschen, so liebevoll pflegst, während meine eigenen Kinder mich dem größten Elend, ja dem Hungertod preisgegeben haben? Warum tust du das?‘ Als P. Martin ihm lächelnd erwiderte, er tue nur, was seine Religion ihn lehre, und hoffe, so in den Himmel zu kommen, sagte der Kranke ganz erstaunt: ‚O lehre auch mich diese Religion, hilf auch mir in den Himmel kommen.‘“

Der hochwürdige Herr Wehinger, der sich gegenwärtig noch in seiner österreichischen Heimat aufhält, um für sein Spital Almosen zu sammeln, bittet uns, bei unseren Lesern ein Wörtchen zu Gunsten seiner lieben Aussätzigen einzulegen.


(Aus: die katholischen Missionen, 1897)