Bereits in der Februar-Nummer berichteten wir die Vernichtung der
Missionsstation Keren, welche der Besetzung Massauas durch die Italiener und
den infolge davon zwischen Abessinien und Italien ausgebrochenen
Feindseligkeiten zuzuschreiben ist. Nachträglich teilt uns P. Picard noch das
folgende schöne Beispiel von heldenmütiger Glaubenstreue mit, welche die
Katholiken von Keren bei dieser Gelegenheit bewiesen haben:
„Am 23. August letzten Jahres wurde unser Haus zu Keren von fünfhundert
abessinischen Soldaten umstellt. Sämtliche Mitbrüder versammelten sich hierauf
im Diwan, wo die Bewaffneten eingelassen wurden. Der Hauptmann sagte uns: ‚Wir
kommen im Namen Ras Alulas, um alle abessinischen Katholiken, die bei euch
sind, sowie die Priester, Seminaristen und Schwestern in Ketten zu legen. Euch
Europäer wir man samt euren Gütern und Häusern in Frieden lassen.‘
Auf meine
Frage nach einem Brief des Königs antwortete der Anführer: ‚Wir haben
ausdrücklichen Befehl, ihr müsst ihm nachkommen.‘
Es blieb nichts übrig, als
unsere vierzig Seminaristen, die Priester, Waisenkinder und etliche Diener zu
rufen. Darauf beschied man die vierzehn katholischen Familien des Dorfes, die
Schwestern und die Arbeiterinnen her. Uns führte man aufs Feld, wo jeder nach
Heimat, Religion und Zeitpunkt seiner Ankunft in Keren ausgeforscht wurde.
Danach wurden Seminaristen und Priester gefesselt. ‚Heute Abend oder morgen
früh geht es fort,‘ lautete der Befehl, ‚am Freitag habt ihr vor dem König zu
erscheinen.‘
Die Greise, die Schwestern und die katholischen Familien wurden gegen
Bürgschaft auf freien Fuß gesetzt. Tags darauf, es war Mittwoch, zogen unsere
Kinder zu je zwanzig, zwei und zwei aneinander gekettet, nach Asmara. Herr
Jougla und ich folgten mit Mundvorrat für die Reise. Das Wetter war hübsch und
die Wege ziemlich gut. Auf jeder Station verrichteten wir gemeinsame
Andachtsübungen und beteten den heiligen Rosenkranz. Am Freitagmorgen trafen
wir in Asmara ein.
Umgeben von zahlreichen Priestern und schismatischen Mönchen,
empfing uns der König nicht gerade unfreundlich. Nach halbstündigem Warten,
während dessen man zehn Peitschen und zehn Knuten zurechtgelegt hatte, durften
wir vortreten. Auf Befehl des Ras rief ich meine Priester, Seminaristen und die
übrigen Katholiken. Hierauf nahm ich das Wort und sagte: ‚Fürst, wir sind mit
des Königs Erlaubnis in Abessinien; denn so lautet sein Bescheid: Zu Keren,
Acrur und Alitiena erteilet Unterricht und seid meine Freunde. Wir haben
allezeit den Willen des Königs erfüllt.‘ Danach wurde jeder einzelne nach
seiner Heimat und dem Namen seines Vaters ausgeforscht.
Nach diesem Verhör fuhr
Ras unseren Gesangslehrer an: ‚Warum bedeckst du deinen Kopf? Packt ihn, prügelt
ihn.‘ Gesagt, getan! Der Mann wurde festgebunden und erhielt 143 Hiebe. Dreimal
fragte man ihn dazwischen nach der wahren Kirche. ‚Die katholische Kirche ist die
wahre Kirche‘. Da fuhr Ras auf. ‚Gebt ihm hundert, zweihundert Schläge, aber
kräftig.‘
Endlich ließ man ab, den mutvollen Bekenner länger zu peinigen; denn man fürchtete, er werde sterben; das Blut rann ihm vom Leib und das Fleisch hing in Fetzen herab. Selbst die Schismatiker sagten leise für sich: ‚Das muss die wahre Religion sein, wir könnten nicht so viel aushalten.‘
Endlich ließ man ab, den mutvollen Bekenner länger zu peinigen; denn man fürchtete, er werde sterben; das Blut rann ihm vom Leib und das Fleisch hing in Fetzen herab. Selbst die Schismatiker sagten leise für sich: ‚Das muss die wahre Religion sein, wir könnten nicht so viel aushalten.‘
Jetzt mussten wir uns zurückziehen. Während man achtundzwanzig Kinder in Ketten legte, nahmen wir den misshandelten Bekenner in Pflege. Erst einen Monat später war er wieder hergestellt. Elf Tage blieben unsere Kinder gefesselt; dann ließ man auch sie, und zwar ohne Bürgschaft, los. Ein Mönch nur blieb im Gefängnis zurück; auch er verharrt treu im Glauben.“
(Aus: die katholischen Missionen, 1888)