„Mir ist gegeben alle Gewalt im
Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker, und taufet sie im
Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und lehret sie alles
halten, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis
ans Ende der Welt.“ (MT 28, 18–20)
Andächtige Christen! „Niemals hat
ein Mensch so geredet wie dieser Mensch“ (Jo, 7, 46). So bekannten einst voll
Staunen die Juden von Jesus Christus. So müssen auch wir voll Staunen die
Bewunderung heute bekennen. Nein, so wie Jesus Christus gesprochen hat, als er
vor seiner Himmelfahrt das Missionswerk übertrug, hat noch kein Mensch
gesprochen. Kein Meister hat so zu seinen Schülern, kein König so zu seinen
Untertanen gesprochen. Keine Aufgabe ist je in diesem Umfang gestellt, kein
Anspruch je in dieser Größe erhoben worden. Alle Gewalt! Die ganze Welt! Alle
Völker!
Alle Gewalt! Ein gewaltiges Wort!
Den ganzen Erdkreis will es beherrschen und in die Himmel will es gebietend
hinaufsteigen: Machtvolle Eroberer sind im Laufe der Zeiten aufgestanden und
große Machtansprüche haben sie erhoben; aber Himmel und Erde hat keiner von
ihnen eingefordert. Ein solcher Machtanspruch hätte sie trotz ihrer großen
Gewalt ebenso lächerlich gemacht wie jeden anderen Menschen. Nur einen kennt
die Geschichte, der eine Gewalt über Himmel und Erde für sich beansprucht hat,
nur einen, und dieser eine ist Jesus Christus. Und in seinem Mund finden wir
das Wort natürlich und selbstverständlich. Ja, wir fühlen es, bis in das
Innerste unseres Verstandes und unseres Herzens sind wir davon durchdrungen:
Jesus Christus hat ein Recht, so zu sprechen.
(…) „Darum“ hatte der göttliche
Heiland gesagt. Den Missionsbefehl stützt er mit aller Entschiedenheit und mit
allem Nachdruck auf Seine göttliche Autorität. Das Gehen in alle Welt und das
Lehren bei allen Völkern folgert er aus seinem unumschränkten Machtgebiet und
aus seiner unumschränkten Machtfülle. Der Berg, auf welchem Christus seine
Jünger versammelt hat, ist der Berg des Missionsgesetzes, der Sinai des Neuen
Bundes. Kraft seiner Autorität hatte Gott einst auf Sinai zu seinem
auserwählten Volk gesprochen: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine
fremden Götter neben mir haben“ – das auserwählte Volk des Alten Bundes sollte
die wahre Gotteserkenntnis bis zur Fülle der Zeit bewahren. Kraft seiner
Autorität, die Himmel und Erde umfasst, spricht auch Christus zu seinen Jüngern:
„Mir ist gegeben alle Gewalt, darum gehet hin in alle Welt und lehret alle
Völker!“ Das auserwählte Volk des Neuen Bundes soll die wahre Gotteserkenntnis
verbreiten bis an das Ende der Zeiten.
(…) Unser heutiges Festevangelium
des hl. Markus schließt mit den Worten: „Sie aber“ – die Jünger nachdem sie die
letzten Worte des Herrn vernommen und dieser aufgefahren war – „gingen aus und
predigten allerorten, während der Herr mitwirkte und das Wort bekräftigte durch
die nachfolgenden Zeichen.“ Die Apostel gingen an ihre Missionsarbeit. So gehen
auch wir, andächtige Christen, an unsere Missionspflicht. Gott will es! Gott
will es! Das ist der Gedanke, der uns begleiten muss. Gott will es, dass das
Evangelium in der ganzen Welt unter allen Völkern verkündet werde. Amen.
(Aus: Robert Streit O.M.I.:
Missionspredigten, Herder, 1913)