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Samstag, 24. August 2013

Freuden und Leiden eines Seminaristen im päpstlichen Seminar von Kandy (Teil 1)


Das Seminar, über dessen Gründung und Wichtigkeit wir früher ausführlicher berichteten, entwickelt sich unter der Leitung belgischer Jesuiten sehr günstig. Nach 2 ½ Jahren werden die ersten zehn Priester aus der Anstalt hervorgehen. 

Die lange Dauer des Lehrgangs ist teils durch die sehr mangelhafte Vorbereitung der Alumnen bei ihrem Eintritt, teils durch das hohe Ziel bedingt, einen in wissenschaftlicher und religiöser Beziehung wirklich musterhaften einheimischen Klerus zu erziehen. 

Es wird unsere europäischen Seminaristen gewiss sehr interessieren, etwas Näheres über den Entwicklungsgang ihrer indischen Kollegen zu vernehmen. Der Brief eines der Professoren von Kandy, des hochw. P.J.B. van der Aa S.J., schildert uns denselben in anschaulicher Weise folgendermaßen:

„Als man mir sagte, dass die älteren Seminaristen, die bereits seit vier Jahren hier sind, bei ihrem Eintritt hinsichtlich ihrer äußeren Zivilisation und geistigen Vorbildung das genaue Abbild der zuletzt angekommenen gewesen seien, die ich selbst zu beobachten Gelegenheit hatte, konnte ich es kaum glauben. Da kommen sie daher, in ein langes Tuch, ihr Festtagsgewand, gehüllt. Dasselbe ist meist von weißer Farbe und fällt bis zu den Fersen herab. Darüber sitzt ein kurzes Jäckchen, das nicht immer nach dem Maß genommen ist. 
Das ist alles; nur selten tragen sie auf dem Kopf eine kleine Mütze, da sie für den Turban noch zu jung sind. Im Übrigen barfuß, durchweg barhäuptig, das lange Haupthaar in einen Knoten geschlungen, auf Rücken und Nacken fallend. Die meisten haben ihre Schmucksachen zu Hause gelassen. Denn die christlichen Priester und buddhistischen Bonzen ausgenommen, trägt hier jedermann allerhand Geschmeide an sich: Ringe an den Fußzehen und Fingern, Reife und Spangen, kleinere an den Ohrläppchen, größere an den Handwurzeln, über den Ellbogen, sehr große an den Fußknöcheln und Waden, Halsketten usw. Das erste, was mit dem neuen Seminaristen geschieht, ist, dass man ihm sein langes Haar, den Schopf, abschneidet.

Diese Amputation ist ihnen sehr schmerzlich; ich kenne einen, der jetzt noch, nach drei Jahren, nicht ohne Schmerzensseufzer daran zurückdenkt. Dann nimmt man dem jungen Herrn das Maß für Soutane und Beinkleider und gibt ihm Anweisungen, diese ihm neuen Dinge richtig anzuziehen, sonst käme sicher das unterste zu oberst. 

Die fertige Soutane wird zuerst vom Rev. P. Superior in der Kapelle gesegnet. Der damit bekleidete kleine Mann ist glücklich wie ein Prinz und singt und tanzt vor Freude. Aber nach einigen Tagen schon beginnt die erste Trübsal auf seiner kirchlichen Laufbahn. O diese Schuhe! Man muss ihn sehen in diesen für ihn buchstäblichen Hemmschuhen, wie er die Schumacher verwünscht und sein hartes Geschick beklagt. Wie, soll das Leben eines Priesters wirklich um solchen Preis erkauft werden? Nein, das ist doch ein zu harter Beruf. Doch allgemach schöpft er wieder Mut; in seinem Alter hat man immer Mut. 

Sechs Wochen, zwei Monate lang geht er einher, indem er bei jedem Schritt ein Bein nach dem anderen steif wie einen Ladstock emporzieht, als ob die Knie durch eine Schnur in die Höhe gezogen würden. Während dieser Zeit lernt er auch bei Tisch manierlich essen und mit Teller, Glas, Löffel und Gabel umgehen. Das ist die zweite Prüfung seiner kirchlichen Laufbahn. 
Es braucht unstreitig einen ausgesprochenen Beruf, um das Widerstreben zu besiegen, das unsere für ihn so unappetitliche Art, zu essen, ihm einflößt. Immer und immer wieder mit einem Instrument zum Munde fahren, das man so oft schon berührt hat – pfui! Daheim war alles so ganz anders: statt der Teller und Platten dienten schöne, große Bananenblätter, die man nach einmaligem Gebrauche wieder fortwarf, und wozu Löffel und Gabel? Hat nicht die Natur uns an jeder Hand fünf Finger gegeben? Mit diesen legt man auf das Blatt ein Häufchen Reis und das zu kleinen Klößchen geformte Fleisch, taucht den Bissen in die scharfe Tunke und lanciert ihn mit geschicktem Wurf in den Mund, ohne die Lippen zu berühren. In ähnlicher Weise geht das Trinken vor sich. Man lässt aus einem Krug von oben einen feinen Wasserstrahl in den Mund springen…Und nun soll man alle diese Gewohnheiten gegen so ganz verschiedene austauschen!(…)

Und nun kommen die Studien. Zuerst das Studium der Muttersprache; denn häufig kennen die Alumnen bloß den Dialekt, den sie bisher gesprochen; dann die englischen Stunden. Diese Sprache wird immer unentbehrlicher, will der spätere Priester auch nur ein wenig aus seinem Heimatdörflein und seinen Dschungeln heraustreten, und zudem ist es die Haussprache des Seminars.

Es folgt der Unterricht im Latein, das für den angehenden Priester natürlich unentbehrlich ist, und in der Mathematik. Auf diesem Felde würden Ihre belgischen Zöglinge von den unsrigen auf der ganzen Linie geschlagen werden; denn die Inder sind für dieses Fach ganz besonders begabt. Der Unterricht in Geschichte und Geographie muss bei den meisten ganz von vorne beginnen. Da bekommt man Fragen von köstlicher Naivität zu hören. Noch kürzlich meinte einer, in Europa gäbe es weder Arme noch Arbeiter, sondern bloß reiche, vornehme Herren, die von ihren Renten leben.

Im Griechischen ist natürlich auch tabula rasa; P. Bossen könnte Ihnen davon erzählen. Die geschilderten Verhältnisse sind die Regel. Indes kommt es doch ziemlich häufig vor, dass die Beamtenstellung des Vaters, der Wohnaufenthalt in einer großen Stadt, der Besuch einer Schule oder selbst eines Kollegs schon etwas vorgearbeitet haben. Es bleibt uns dann nur noch übrige, die Umrisse zu vervollständigen und die begonnene Ausbildung weiterzuführen.

(Aus: die katholischen Missionen, 1899)

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