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Mittwoch, 8. Mai 2013

Der Segen der Volksmissionen in Kolumbien (Teil 2)

Fortsetzung von hier

Außerdem durchziehen einzelne Patres während eines großen Teiles des Jahres weite Strecke des ungeheuren Gebietes, namentlich jene Striche, wo unter der armen Indianer- und Negerbevölkerung (die Indianer bilden in Kolumbien 15 %, die Mestizen 40 %, die Neger, Mulatten und Zambos 35 %, die Weißen nur 10% der Bevölkerung) aus Mangel an regelmäßiger Seelsorge die religiösen Verhältnisse sehr daniederliegen. 
Die Schilderung einer dieser Missionstouren des P. Nicolas Rodriguez S.J. in den Dörfern des Magdalenenstromes wird uns am besten die Verhältnisse dieser halbzivilisierten Gebiete veranschaulichen.

Von Cartagena aus ging die Fahrt zunächst mehrere Tagereisen weit den mächtigen Strom aufwärts. An einem einsamen kleinen Dorf stieg der Pater ans Land. 

„Während ich durch die Gassen des Dorfes schritt, lud ich die Leute ein, zur heiligen Messe zu kommen. Wie erstaunte ich aber, als ich statt einer Kirche nur eine armselige Hütte traf, wo ich zwar einige alte Messgewänder, aber weder Kelch noch Messbuch vorfand! Auf meine Frage, in welchem Dorf der Señor Cura (Herr Pfarrer) wohne und wie oft er herkomme, hieß es, er wohne sehr, sehr weit entfernt und besuche sie bloß einmal im Jahr. Ich erkundigte mich nun, ob im Dorf ein Schwerkranker sich befinde, hielt den armen Leuten Unterricht (eine eigentliche Mission war ohne Kirche und heilige Messe nicht möglich) und ließ mich dann auf einem Negerkahne nach dem Dorf Simiti bringen, wo ich die erste Mission zu halten gedachte. 

Glücklich langte ich mit Gottes Hilfe an. Man erwartete mich bereits und empfing mich mit Glockengeläute und Flintengeknatter. Ich begann also die heilige Mission im Namen der süßesten Herzen Jesu und Maria. 
Zuerst aber suchte ich die Verhältnisse der armen Leute näher kennen zu lernen, um meinen Feldzugsplan danach einzurichten. Es sind hier fast lauter Neger, in ihren Sitten halbe Christen und halbe Wilde. Sie haben eben keinen Seelsorger und niemand, der ihnen die heilige Messe liest. Nur von Zeit zu Zeit kommt mal ein Priester aus einem anderen Dorf. Infolgedessen sind die Leute fast gar nicht unterrichtet. 
Ich ordnete demnach die Mission so an, dass die Kinder täglich zweimal Christenlehre, die Erwachsenen einmal einen Unterricht nach der heiligen Messe, dann des Abends Rosenkranz und Predigt hatten. 
Das göttliche Herz Jesu segnete die Arbeit seines armen Dieners. Der Andrang zumal zu den Predigten war so groß, dass die Pfarrkirche, obschon dreischiffig, öfters die Leute nicht fassen konnte. Mit den Kindern, die so willig und lenksam sind, konnte ich alles machen. 

Den Erwachsenen musste ich freilich schärfer zu Leibe gehen, um sie aus ihren sündhaften Gewohnheiten aufzurütteln. Besonders stand es schlimm mit den wilden Ehen. Da kein Pfarrer da war, schlossen sich die Paare in wilder Regellosigkeit zusammen, und um die vielen sündhaften Verhältnisse zu lösen, dazu genügte nicht einmal die Posaune des letzten Gerichtes, die ich mit Macht von der Kanzel aus schallen ließ (Anm.: wäre Zeit, dass man die auch heute mal wieder hört). 
Ich musste außerdem von Haus zu Haus umhergehen und den Leuten unter vier Augen ins Herz reden und mit dem hl. Paulus ‚gelegen und ungelegen‘ sie zurechtweisen. Dennoch war es ein wahrer Trost, die Beichten zu hören; und so viele große und dicke Fische gingen in mein Netz, dass meine Kraft dem Gewicht nicht gewachsen war und das Netz zerriss, wie es dereinst dem Apostel Petrus geschehen war. Ich konnte aber nicht wie er die Gefährten zur Hilfe rufen, da ich mich über 100 Stunden von der nächsten Residenz (so heißen die kleineren Ordenshäuser der Gesellschaft Jesu) befand und zudem sicher wusste, dass dort keiner abkommen konnte. 
Immerhin gelang es mir mit Gottes Hilfe, 300 Generalbeichten in dem einen Dorfe zu hören. Die in wilder Ehe lebenden Paare wurden teils getrennt, teils rechtmäßig getraut; die anderen Beichtkinder versprachen ernstliche Besserung. Da kein Pfarrer da war, musste ich alle noch ungetauften Kinder taufen und die Begräbnisse und Trauungen selbst vornehmen. 
Auch mitten in der Nacht wurde ich zu Sterbenden gerufen, wobei ich stets für Begleitung sorgte für den Fall, dass ich einem Jaguar begegnen sollte, die in diesen Stunden häufig in den Gassen nach Beute herumschnüffeln.“

Um die Wirkungen der Mission zu befestigen, richtete P. Rodriguez in der Gemeinde das Gebetsapostolat ein, das in Südamerika fast überall in großer Blüte steht, hinterließ den Mitgliedern schriftlichen Angaben über die Übungen und Andachten und ernannte unter den „Zelatoren“ einen, der an allen Sonn- und Festtagen die Glocke läutete, damit die Leute zur Kirche kämen und an Stelle der heiligen Messe den Rosenkranz zusammen beteten. 
Nachdem so der geistige Bau erneuert war, wandte der Pater auch dem materiellen Bau der Dorfkirche seine Aufmerksamkeit zu. Dieselbe stammte aus den spanischen Zeiten, war groß und geräumig, aber in sehr verfallenem Zustand. Der Pater rief also die Vornehmen des Dorfes zusammen und erklärte ihnen, was und wie repariert werden müsse. Sofort wurde eine Geldsammlung veranstaltet; der Pater legte ein Almosen, das er aus Spanien erhalten hatte, dazu, und nun wurden die Reparaturarbeiten gleich in Angriff genommen (heute scheint sie in ihren alten Zustand zurückgekehrt zu sein).

Zur Pfarrei Simiti gehörten drei andere Dörfer: San Pablo, Santa Rosa und Guamoco, die an der Mission teilgenommen, von Guamoco freilich nur wenige. Der Ort mit über 500 Seelen liegt 7 Tagreisen ab und hatte seit 40 Jahren keinen Priester mehr gesehen. Wegen der großen Entfernung und den schlechten Wegen musste P. Rodriguez, so Leid es ihm tat, vorläufig von einem Besuch Abstand nehmen. 
Bei seiner Abreise von Simiti folgten ihm die Leute unter den rührendsten Zeichen der Anhänglichkeit und des Schmerzes zur Landungsstelle. Nun hielt der Pater eine letzte väterliche Ermahnung und gab dem versammelten Volk mit seinem Missionskreuz noch einmal den Segen.

Die nächste Mission fand in Morales statt. Hier wohnte zwar ein Cura, aber die religiösen Verhältnisse waren nicht viel besser. Ein großer Teil der Bevölkerung, meist Neger, lebt in wilder Ehe, ohne eine heilige Messe zu hören oder zu beichten. 
Für sie bestand die Ausübung der Religion fast nur in einigen mit großem Prunk abgehaltenen Festtagen. Manche gingen, um ihrer Sonntagspflicht zu genügen, zur Kirchentüre, gaben, während der Priester drinnen zelebrierte, einige Flintenschüsse zur Ehre der heiligen Messe ab und kehrten dann befriedigt nach Hause zurück. 

Die Mission wirkte auch hier großen Segen; viele, die fast niemals in ihrem Leben gebeichtet und kommuniziert hatten oder in sündhaften Verhältnissen lebten, bekehrten sich aufrichtig. Auch hier wurde das Gebetsapostolat eingeführt und die Mission durch eine großartige Lichterprozession geschlossen. 

Ungleich traurigere Zustände fand P. Rodriguez in Rio Viejo. Der geistlichen Hilfe beraubt, war die Bevölkerung in religiöser und sittlicher Beziehung sehr verwildert; viele wussten gar nichts von Beicht und Kommunion und wahren einfach „getaufte Heiden“. Es war ein hartes Stück Arbeit, diese armen Neger aus dem Groben herauszuarbeiten und zu einer guten Beicht vorzubereiten.
Allein durch die Gnade und Barmherzigkeit des allerheiligsten Herzens Jesu, dessen Bild ich auch hier bleibend aufstellte, gelang es, das Volk durch Unterricht und Predigt zu Gott zurückzuführen.
Die Frucht dieser drei Missionen waren, außer der Abschaffung der größten Ärgernisse, 520 Generalbeichten und 1000 heilige Kommunionen. Das wäre für Europa nicht viel, wohl aber für die dortigen Verhältnisse.

In ähnlicher Weise verliefen die zahlreichen übrigen Missionen, die P. Rodriguez in dem weiten Gebiet des Magdalenenstromes noch hielt. So traurig vielfach die Verhältnisse liegen, überall lebt der Glaube noch, und es bedürfte nur einer hinreichenden Zahl guter Priester, um aus der Wildnis einen blühenden Garten zu machen.


(Aus: die katholischen Missionen, 1900)

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