Gewiss erinnern sich noch viele Leser dieser Zeitschrift des
erschütternden Berichtes über die Armut eines italienischen (eigentlich
Tessiner) Missionärs, P. Faustinus Corti S.J., in den Ghatbergen östlich von
Mangalore. Reiche Hilfe wurde dem bescheidenen Priester aus Deutschland zuteil.
Die Almosen haben schöne Früchte gebracht.
„Meine ganze Tätigkeit“, so schreibt
der Glaubensbote aus seiner Missionsstation Narol am 28. Dezember 1913, „gilt
ausschließlich den armen, verachteten Parias.
Die Brahminen nennen mich
deshalb, um mich vor den höheren Kasten verächtlich machen, den Guru (Meister)
der Parias, und ich bin stolz auf diesen Titel. In dem nun zu Ende gehenden
Jahr habe ich 318 der Ausgestoßenen getauft, 500 Katechumenen warten noch auf
das Sakrament der Wiedergeburt.
Gegenwärtig habe ich zwei Katechisten; der eine ist Brahmine, der
andere Paria. Vor zwei Jahren kam letzterer
zu mir; da er ganz blind war, musste ein Freund ihn führen.
Er hatte
Fieber und wollte ein Heilmittel. Von seinem Fieber konnte ich ihn befreien,
aber das Augenlicht vermochte ich ihm nicht wiederzugeben.
Da er mir geweckt
erschien, fasste ich den Plan, ihn zum Katechisten seiner Kastengenossen
heranzubilden. Zuvor schickte ich ihn aber nach Mangalore zur Untersuchung bei
einem tüchtigen Augenarzt.
Nach vierzehn Tagen kehrte er zurück, die Ärzte
hatten ihn für unheilbar erklärt. Ich behielt ihn trotzdem und hatte es nicht
zu bereuen; denn er zeigte sich noch begabter, als ich angenommen hatte, und
war überaus eifrig beim Studium der christlichen Lehre. Endlich taufte ich ihn
auf den Namen Augustinus. Dann behielt ich ihn noch einige Tage bei mir, bereitete
ihn auf die heilige Beichte und Kommunion vor und sandte in schließlich in sein
Dorf, damit er dort die Bekehrung seiner Verwandten und Freunde versuche.
Kaum
waren vierzehn Tage verflossen, da erschien er mit seiner Mutter, seinem Bruder
und seiner Schwester in Narol. Mit den Worten: ‚Das ist die erste Frucht meiner
Arbeit‘, stellte er sie mir vor.
Ich hieß die Leutchen sich setzen, um zu
sehen, was sie denn in so kurzer Zeit gelernt hätten. Ganz richtig machten sie
das heilige Kreuzzeichen und sangen darauf die Gebete: das Vaterunser, Ave
Maria, das Glaubensbekenntnis, die zehn Gebote, die Gebote der Kirche und die
Akte des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, alles in der Tulu-Sprache.
Zum
Verständnis muss ich hier einfügen, dass ich die Gebete den Katechumenen
singend beibringe; denn dabei lernen sie viel rascher und bereitwilliger; sie
singen nämlich leidenschaftlich gern. Abgesehen von einigen kleinen Fehlern
sangen meine Gäste alles ganz gut. Dann stellte ich Fragen über die wichtigsten
Glaubensgeheimnisse; alles Notwendige wussten sie. Ich behielt sie zur
Vollendung des Unterrichts noch einige Zeit auf der Station und taufte sie
dann.
Von jetzt an kam der blinde Katechist regelmäßig in kurzen
Zwischenräumen, jedes Mal brachte er zwei oder drei Leute mit, die er auf die
Taufe vorbereitet hatte. Im Oktober waren alle Parias des Dorfes – 42 an der
Zahl – katholisch. Seitdem weilt der blinde Katechist in einem anderen Dorf,
das eine Stunde weiter entfernt ist. Schon jetzt hat er sämtliche Einwohner für
den Glauben gewonnen. Sie warten auf unseren Bischof, um alle 70 zusammen aus
seiner Hand die Taufe zu empfangen.
Für seine Dienste erhält Augustinus Kleidung und monatlich ganze 16
Pfennig. Der Eifer, mit dem er sich der Bekehrungsarbeit widmet, hat auf ihn
den Hass der höheren Kasten und vor allem den seines früheren Leibherrn
herabgezogen. Aber solange es bei bloßen Worten bleibt, zieht der Blinde nicht
den kürzeren, und gegen Schläge hofft er durch mich geschützt zu sein; freilich
bin ich 10 km weit entfernt.
(aus: die katholischen Missionen, 1914)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen