Wir erhalten durch gütige Vermittlung der Anverwandten den Brief eines
wackeren Missionärs aus der Picpus-Gesellschaft, des P. Matthias Limburg,
welcher augenblicklich in der durch P. Damian so berühmt gewordenen Mission auf
der Aussätzigen-Insel weilt.
„Molokai, Kalaupapa, den 22. Mai 1890. Wie Ihr seht, schreibe ich Euch
dieses Mal vom weltberühmten Molokai aus, wo ich jetzt zum dritten Mal bin. Das
erste Mal – es war im Dezember 1888 – kam ich hierher mit den ersten
Franziskanerinnen und blieb damals ungefähr neun Tage.
Das zweite Mal – im vergangenen
Januar – kam ich, um den Schwestern die geistlichen Übungen zu geben. Dieses
Mal werde ich von meinen Oberen geschickt, um den P. Wendelin Moellers (den
Nachfolger P. Damians) für eine Zeitlang zu ersetzen, da derselbe erkrankt war
und der Doktor ihm eine Erholung und Klimawechsel vorgeschrieben hatte.
Ich bin
hier seit dem 29. April. Unser hochw. Bischof, Msgr. Hermann Köckemann, kam am
6. Mai gleichfalls hierher und spendete die heilige Firmung hier in Kalaupapa
am 7. Und in Kalawao, welches 1 ½ Stunden Wegs von hier entfernt ist, am 8.
Mai. In jedem der beiden Dörfer waren ungefähr 100 Firmlinge, also etwa 200 im Ganzen.
Aussätzige sind in beiden zusammen über 1100; die meisten davon in Kalaupapa.
Am 8. Mai ging der hochw. Herr Bischof in Begleitung des P. Wendelin nach
Honolulu zurück. P. Wendelin hat mir seitdem schon zweimal geschrieben. Er hat
bereits Heimweh und wünscht, sobald als möglich zu seinen geistlichen Kindern
zurückzukommen, d.h. schon Montag nach Pfingsten, nächste Woche.
Als ich das
dem hiesigen Doktor (Dr. Swift) sagte, schüttelte er den Kopf und sagte, P.
Wendelin täte Unrecht und würde es später bereuen. Der Doktor hatte gewünscht,
dass P. Wendelin eine sechsmonatliche Reise nach Amerika mache, um sich
vollständig zu erholen. Nun, man kann auch nicht immer tun, was die Doktoren
sagen.
Was mich angeht, so wird die Zeit mir gar nicht lang. Ich bin gesund
und munter, Arbeit gibt’s genug, und der Trost fehlt auch nicht.
Am selben Tag, an welchem unser hochw. Bischof von hier fortging, gab
ich den Kindern, die im Hof spielten, einige Äpfel. Kaum waren die Kinder
fröhlich fortgegangen, da kam eine Frau und bat mich gleichfalls um einen Apfel
für einen Kranken. Ich erkundigte mich, wer denn der Kranke sei.
Als ich
hinkam, fand ich, dass der Kranke am Sterben lag. Er bat mich, ihm zu helfen,
da er große Schmerzen leide. Ich sagte ihm, für den Körper sei der Doktor da,
ich wolle ihm aber beistehen, seine Seele zu retten.
Sodann sprach ich zu ihm
über den Wert der Seele, von Himmel, Hölle, von der Vergänglichkeit dieses Lebens
usw. Ich war nämlich der Überzeugung, der Mann sei Kalvinist.
Ich fragte ihn
sodann, ob er getauft worden. Er sagte: ‚Ja.‘ ‚Wer hat dich getauft?‘ ‚Joakimo.‘
‚Dann bist du ja katholisch.‘ (Joakimo [P. Joachim] war einer der ersten
Missionäre hier, nun aber schon längst tot.) ‚Ja‘, sagte er, ‚ich wurde
getauft, als ich noch ein kleiner Knabe war, habe aber später die Kirche
verlassen und bin zu den Kalvinisten gegangen.‘ ‚Nun, dann musst du jetzt diese
Sünde bereuen und Gott um Verzeihung bitten.‘
Ich hörte sodann seine Beicht und
ging sofort nach Haus, um die heiligen Öle zu holen. Es war gegen 5 Uhr abends,
und ich fürchtete, er werde nicht lange mehr leben. Ich kehrte zurück und gab
ihm die letzte Ölung.
Als ich am folgenden Morgen die Betglocke läutete, hörte ich, dass auch die Kalvinisten läuteten. Ich wusste anfangs nicht, was das zu bedeuten habe, vernahm aber später, dass es die Sterbeglocke sei. ‚So‘, dachte ich, ‚der arme Mann ist wohl gestorben.‘
Ich war noch am Läuten, da kam ein Mann in großer
Eile zu mir und bat mich, für Kainuwai (Name des Kranken) das Scheidezeichen zu
geben. Ich sagte ihm, dies ginge nicht so ohne weiteres, da man ja schon bei
den Kalvinisten läute. ‚Das ist ein Irrtum‘, erklärte er. ‚Nun dann geh und sag
ihnen, sie sollten aufhören zu läuten, dann will ich anfangen.‘
Der Mann lief
fort, und bald hörten die Kalvinisten auf, und ich fing an. Unsere ganze
Gemeinde war erstaunt, als sie hörte, dass Kainuwai gestorben, aber erst recht
erstaunt, dass er als Katholik gestorben sei. Kaum einer hatte nämlich von
seiner Krankheit gewusst und kein einziger, dass er je katholisch getauft
worden war.
Ihr seht, lieber Vater ein Apfel führte mich ans Sterbelager dieses
armen verlorenen Sünders. Die Kinder waren nämlich (nach Empfang der Äpfel) in
das Haus der Kranken gegangen. Als dieser die Äpfel in den Händen der Kinder
sah, spürte er auch Lust, einen Apfel zu essen. So schickte er denn eine Frau,
seine Verwandte, mich um einen Apfel zu bitten. Den Apfel konnte er zwar nicht
mehr essen, der Tod ließ ihm keine Zeit, aber anstatt des Apfels bekam er etwas
Besseres.“
(aus: die katholischen Missionen, 1890)
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